Fleischforschung mit dem Blick für’s Ganze

Kulmbach [BAFF] – In 18 Fachvorträgen breitete das Forschungszentrum das aktuelle Wissen zwischen Handelsklassen von Fleisch und Separatorenfleisch aus.
Die Bundesanstalt für Fleischforschung stellte auf ihrer jährlich stattfindenden Vortragstagung wieder ein Programm vor, das sich sehen lassen konnte. “Unsere Spezialität ist der Blick aufs Ganze” leitete Dir. u. Prof. Dr. Karl Otto Honikel die Fachvorträge ein. Ganz im Sinne einer integrierten Produktionskette reichten daher die gebotenen Themen von der landwirtschaftlichen Urproduktion über Marktfragen und die Lebensmittelsicherheit bis hin zu einem Schwerpunkt über das Separatorenfleisch. Das Lebensmittelrechtliche Kolloquium würzte die Tagung mit juristischen Streitgesprächen zu verwickelten Sachverhalten der Lebensmittelkontrolle.
Eingeleitet wurde der Vortragszyklus jedoch durch eine eindrucksvolle Darstellung von Fremdländischem: Slowenien ist nicht nur EU-Beitrittskandidat, sondern ein Land mit einer alten Tradition der Wurstherstellung. “Für uns ist die traditionelle Wurst, wie in Deutschland, ein Stück kulinarisches Kulturerbe”, konstatierte Dr. Slavko Cepin von der Universität Lubljana. Luftgetrocknete Schinken, Salami ähnliche Wursttypen, frische Bratwürste, aber auch deftiger Saumagen gehören dazu. Dass man die Regeln der EU begriffen hat, zeigte sich deutlich, da an die Einführung des geographischen Schutzes von mehreren Produkten gedacht wird.
Die erste Serie der im Hause der BAFF erarbeiteten Referate befasste sich mit der Fütterung der Masttiere sowie der Bewertung und Vermarktung von Fleisch. “In der Hähnchenmast ist der ökologische Forschungsansatz besonders bedeutsam” hob Dr. Milan Ristic in seinem Vortrag hervor. Aber auch er kam am Ende zur Schlussfolgerung: Wer Öko will, muss mehr bezahlen, und für Hähnchen gilt das in besonderem Maße. Im Wechsel vom Kleinen zum Großen wurde nachfolgend über Rindfleisch und seine wirtschaftliche Bewertung berichtet. “Wenn’s ums Geld geht, wissen die Marktpartner zu wenig voneinander”, mahnte Dr. Peter Freudenreich. Die apparative Klassifizierung und neue Bezahlungsmodelle könnten mehr Transparenz bringen.
Lebensmittelsicherheit fängt für die Wurst beim Keimgehalt des verwendeten Fleisches an. Dass aber fallweise die Wahl der richtigen Verarbeitungstechnologie fast noch entscheidender ist, wurde in einer Arbeit gezeigt, die sich mit Teewurst befasste. Bei dieser feinzerkleinerten Wurst gilt die Kontamination mit dem krankmachenden Keim Listeria monocytogenes als besonderes Risiko. “Wer die gute Herstellungspraxis für diese Wurst beherrscht, geht trotzdem kein besonderes Risiko von Listeriose-Erkrankungen ein”, beruhigte Institutsleiter Dir. und Prof. Dr. Dr. Manfred Gareis als Schlussfolgerung aus der Arbeit.
Nicht alles geht aber auf rechten Wegen, wie sich am Beispiel eines Produktes zeigte, das zur Keimminderung auf Fleischoberflächen herangezogen werden sollte. Was als harmloses Kräuterpräparat mit einer tatsächlich erstaunlichen keimtötenden Wirkung daher kam, erwies sich nach aufwändigen Analysen als Mischung, der ein hartes, für Lebensmittel nicht geeignetes Desinfektionsmittel zugesetzt war. Der Toxikologe Dr. Dieter Wild empfahl, großen Versprechungen natürlicher Konservierung durch Kräuterextrakte mit Vorsicht zu begegnen.
Auch bei Dioxin und den diesen ähnlichen polychlorierten Biphenylen (PCB) geht es um den Verbraucherschutz. Dass trotz Pflicht zur Vorsorge kein Grund zur Sorge besteht, zumindest was die Gehalte dieser Substanzen in Fleisch anbetrifft, konnte in einer Studie von Karl-Heinz Schwind gefolgert werden. – Ein unglückliches Kuriosum der BSE – Krise führte zu ganz anderem Forschungsbedarf: Rindfleisch erschien zeitweise nicht mehr für alle Wurstwaren unbedingt erwünscht. Das lenkte den Blick auf den Tierartnachweis im Fleischerzeugnis. “Noch weniger als 1 % einer Fleischart können in einem Wurstbrät nachgewiesen werden, aber der Aufwand ist erheblich”, meinte Dir. u. Prof. Dr. Karl Otto Honikel bei der Vorstellung seiner Ergebnisse.
Separatorenfleisch genießt – ebenfalls seit BSE – keinen guten Ruf, sein Einsatz ist deutlich eingeschränkt, soweit von Rind stammend, sogar verboten. Die heute vorherrschende Betrachtungsweise könnte aber zu undifferenziert sein. “Häufig wird geurteilt, ohne zu wissen, worüber geredet wird, kritisierte der Fleischtechnologe Prof. Dr. Klaus Troeger. Am Knochen anhaftendes Restfleisch kann ohne gesundheitliche Risiken gewonnen werden – die Technik ist entscheidend. Gut zu wissen dabei, dass keinesfalls Qualitätsminderungen der Produkte durch ein so hochwertig gewonnenes Separat zu erwarten sind. In einer Welt, in der die Begriffe Ökologie und Nachhaltigkeit keine Fremdworte mehr sind, würde es sich daher lohnen, die Fragen des mechanisch von Knochen gewonnenen Restfleisches neu zu überdenken. Dennoch wollten die Wissenschaftler der BAFF auch auf Gegenwind durch die Verbraucher vorbereitet sein und widmeten sich den Methoden zum Nachweis von Separatorenfleisch besonders intensiv. Die Schwierigkeiten scheinen nicht allzugroß zu sein, chemisch-analytische Methoden sind ebenso geeignet wie röntgenologische und mikroskopische.
Für den Leiter der Bundesanstalt für Fleischforschung Dir. u. Prof. Dr. Karl Otto Honikel blieb ein zufriedenes Resümee: “Wir haben mit 40 Teilnehmern mehr als im vergangenen Jahr offensichtlich einen guten Rhythmus gefunden”, stellte er fest. Auch im nächsten Jahr wird die Kulmbacher Woche mit zwei Tagen zwar kalendarisch kurz, aber inhaltlich nicht verkürzt erscheinen.

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