Salzreduktion DLG Fachforum Kulmbach

Salzreduktion als Herausforderung

DLG-Fachforum in Kulmbach

Das herausfordernde Thema Salzreduktion in Fleischerzeugnissen beleuchteten Experten aus Lebensmittelindustrie und Wissenschaft unter verschiedenen Blickwinkeln bei einem zweitägigen Fachforum, das gemeinsam vom Max Rubner-Institut (MRI) und der DLG (Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft) in Kulmbach veranstaltet wurde. Sensorische Übungen und Praxistests ergänzten die Veranstaltung mit Workshopcharakter.

Eine zu hohe Salzaufnahme gehört zu den Hauptverursachern von Bluthochdruck und anderen ernährungsbedingten Krankheiten. Studien zeigen, dass die empfohlene Menge von 6 g Kochsalz (NaCl) pro Tag nach wie vor deutlich überschritten wird. Nicht zuletzt, weil die zugesetzten Gehalte in relevanten Lebensmittelgruppen weiter hoch sind.

Forschungslücken benennen, Maßnahmen beschließen

Dr. Silvia Roser vom MRI Karlsruhe informierte über den aktuellen Stand der 2018 vom BMEL ins Leben gerufenen, nationalen Reduktions- und Innovationsstrategie (NRI) sowie den Stakeholder-Prozess zur Ableitung konkreter Reduktionsziele. Grundlage dafür bildeten unter anderem die Verzehrsgewohnheiten der Bevölkerung und Produkterhebungen.

In Wurst und Fleischerzeugnissen stehe die Reduktionsnotwendigkeit im Widerspruch zu technologischen, sensorischen und mikrobiologischen Anforderungen. Insofern beschäftigten sich im MRI aktuell verschiedene Arbeitsgruppen mit der Thematik. Falls aufgrund der Datenlage in deren gemeinsamen Strategietreffen keine konkreten Reduktionsziele bzw. Orientierungswerte abzuleiten seien, sollten zumindest die Forschungslücken benannt und weitere Maßnahmen beschlossen werden, so Roser.

Salz nicht singulär betrachten

Institutsleiterin Dr. Dagmar Brüggemann erinnerte daran, dass schon 1986 die Unterstützung der Fleischwarenindustrie für die aus medizinischen Gründen notwendige Reduktion von Salz in Fleischwaren zugesagt worden sei. Die Ergebnisse des MRI Monitorings (2021) zeige jedoch, dass die Gehalte bei den Produktgruppen Kochwurst und -schinken sowie Brühwurst tatsächlich gestiegen sind.

Über das Warum ließe sich spekulieren. Aus dem Publikum kamen Hinweise, dass sich die Vermarktungsform und die Anforderungen an die Haltbarkeit verändert hätten. Darüber hinaus würden heute natriumhaltige Verbindungen eingesetzt, die analytisch in die Kochsalz-Deklaration eingehen.

Brüggemann sprach ebenfalls die „Trinität von Geschmack, Textur und mikrobiologischer Sicherheit & Haltbarkeit durch Natrium“ an. Salz also als gewohnter Grundgeschmack und Verstärker anderer Aromen. Salz für die bissfeste Textur durch Denaturierung der Fleischproteine und Wasserbindung. Salz für die mikrobiologische Sicherheit durch Senkung des aw-Wertes.

Fleischprodukte müssen vor allem schmecken

„Sensorik ist der verlängerte Arm zum Konsumenten“, stellte etwa Andrea Strube vom Fraunhofer IVV Freising fest. Um beim Verbraucher anzukommen, müssten Fleischerzeugnisse vor allem schmecken. Die Herausforderung einer Reduktion des Salzgehaltes läge darin, dass Emotionen, Erfahrung und Erwartung eine große Rolle spielten.

Um mit Hilfe von Konsumententests den Benchmark von Produkten zu ermitteln, sollte man statt nach der favorisierten Salzigkeit besser nach allgemeinen Präferenzen fragen, sagte Strube. Ihr Tipp: den Salzgehalt stufenweise reduzieren, so dass sich Verbraucher schrittweise daran gewöhnen.

Bakterien, Parasiten, Viren

Die Risikobewertung einer Salzreduktion thematisierte unter anderem Dr. Sead Hadziabdic vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Seien im ersten Schritt je nach Wurstsorte die mikrobiologischen Gefahren zu identifizieren und Erreger zu erkennen, ginge es im zweiten um die Einschätzung der Höhe des gesundheitlichen Risikos durch reale Aufnahmemengen. Finales Ziel sei die Erstellung eines Risikoprofils. Mit Blick auf prädiktive mathematische Methoden verwies Hadziabdic darauf, dass Erreger teilweise eine hohe Variabilität aufwiesen und sich schnell an veränderte Bedingungen anpassten. Außerdem beeinflussten die Vielfalt der Produktgruppen sowie betriebsinterne Rezepturen und Technologien die Zuverlässigkeit der Ergebnisse.

Cornelius Gatzemeier vom Hela Gewürzwerk sprach sich ebenfalls dafür aus, die voraussagende Mikrobiologie zur Orientierung bei der Bewertung und Entwicklung einer Salzreduktion zu nutzen. Wichtig sei es jedoch, genügend und zuverlässige Daten zu nutzen.

Komplexe Hürden für die Salzreduktion

Am Beispiel von Rohwurst ging Gatzemeier zudem auf das Hürdenkonzept ein, das auf eine Reduktionsstrategie für humanpathogene Keime ausgelegt sein sollte. Konservierungsstoffe, Redoxpotential, Konkurrenzflora, pH-Wert und aw-Wert zeigten dabei keine einfach additive Wirksamkeit, meinte der Fachmann. Auch stünden einzelne weitere Hürden bei einer Salz- und Nitritreduktion in einer nicht-linearen Funktion zueinander.

Man müsste daher stets auch die anderen Parameter entsprechend anpassen. Und weiter: Generell könne zwar nicht pauschal für unterschiedliche Rohwurstsorten eine feste prozentuale Größe der Salzreduktion bestimmt werden. Durch gezielten Einsatz einzelner Zusatzstoffe ließe sich aber die Entwicklung von humanpathogenen Keimen in einem bestimmten Rahmen durchaus hemmen.

Ersatzstoffe und Technologien als Stellschrauben

Den Einfluss der Natriummenge auf die Technologie bei Brühwurst beleuchtete Steffen Lutz von Van Hees, was die Teilnehmer bei einer Verkostung von drei Chargen direkt nachvollziehen durften: eine Standardrezeptur mit Kochsalz, eine mit 25 % weniger Kochsalz und eine mit Kalium anstelle von Natriumsalzen.

Sein Fazit: Es gibt geeignete Alternativen zum Einsatz von Natriumsalzen, die quasi keinen Einfluss auf die technologischen Eigenschaften haben und sensorisch akzeptabel sind. Zumal Wurst in der Regel nicht allein, sondern mit Brot gegessen werde. Insgesamt sei auf diese Weise eine Reduktion um mindestens 25 % möglich. Allerdings dürfte die sichere Haltbarkeit nicht unberücksichtigt bleiben.

Helfen diverse Vorbehandlungen?

Dr. Janet Krickmeier, Hochschule Anhalt, berichtete von einem aktuellen Forschungsprojekt zur Reduktion des Salzgehaltes durch unterschiedliche Rohstoffvorbehandlungen von Lachsschinken und Schinkenspeck. Um einen effektiven Wasserentzug und damit schnelle aw-Absenkung zu erreichen, seien die Produkte gepresst worden, entweder allein oder ergänzt durch Trockenpökelung und eventuell Durchbrennen.

Ergebnis: Der aw-Wert sinkt allein durch Pressen nicht im gewünschten Maß. Der Wasserverlust werde aber durch die nachfolgenden Prozesse gefördert. Eine Kombination scheine demnach ein sinnvoller Ansatz zu sein. Um negative Effekte im Geschmack zu kompensieren, habe ihr Team anschließend eine Gewürzmischung mit Queller (Salicorna europea) als natürliche, kaliumhaltige Salzquelle eingesetzt. Erste Versuche sprächen für eine gute Akzeptanz der entwickelten innovativen Verfahrensweise.

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