40 Jahre gibt es die Landfleischerei Lindig 2025. Was Dirk und Sebastian Lindigs Eltern Günter und Gerlinde als eine der wenigen privaten Fleischereien wegen eines Versorgungsengpasses in der DDR starteten, gilt für viele heute als Vorzeigebetrieb.
Vor gut zwei Jahren traf ich Dirk Lindig (51) bei der „Masterclass Cortador“-Premiere Ronny Pauluschs im spanischen Guijelo. Ende September fuhr ich endlich in den Südosten Thüringens, um die Landfleischerei kennenzulernen. Schon sein Großvater machte Hausschlachtungen und die Familie besaß seit jeher Grund und Boden in Dobian. Es folgten Enteignung. eine LPG, in der 700 Schweine gehalten wurden. 1985 gab es den erwähnten Versorgungsengpass und Günter und Gerlinde Lindig gründeten mit Unterstützung des Ortsbürgermeisters ihre Fleischerei. Nach dem Umbau eröffnete sie im Herbst 1986 „Das Fleisch wurde uns von Pößneck aus zugeteilt, wir hatten nur alte Maschinen, ein Schlosser machte sie gängig. Zum Ende der DDR wurden 60 Schweine und 12 Rinderviertel die Woche zerlegt“, erinnert sich Dirk Lindig.

Dirk Lindig tartete seine Metzgerlehre noch in einer Privatfleischerei in Saalfeld, schloss sie nach der Wende aber in der Metzgerei Nüßlein (Pleinfeld, Mittelfranken) 1993 erfolgreich ab. „Ich war der erste DDR-Bürger in der dortigen Berufsschule, ein Exot“, lacht er. Seit vier Jahren führt er die Fleischerei zusammen mit seinem Bruder Sebastian (44, Fleischer), der in der Filiale in Saalfeld und im Verkaufswagen auf dem Wochenmarkt, z.B. in Rudolstadt, wirkt. Dessen Frau managed den Dorfladen und die Online-Bestellungen, die gut ein Drittel vom Umsatz ausmachen (im Schnitt 15-20 Pakete/Tag). Dirks Ehefrau ist für alles Kaufmännische zuständig. Sein Neffe Jakob (20) absolviert aktuell eine Fleischerlehre in der Metzgerei Brath in Karlsruhe. „Heiko Brath ist eine echte Größe, da lernt er sehr viel, das macht uns alle stolz“, sagt er. Und was macht der Gründer? Günter Lindig fährt jede Woche montags bis freitags mit dem Kühl-Sprinter – vollgepackt mit Hausmacher Thüringer Spezialitäten nach Sachsen, Berlin und Brandenburg. An fixen Standorten, z.B. vor Einkaufszentren, verkauft er die Wurstwaren (Rohwurst, Halbkonserven, Schinken, etc.) mit Theke und Schirm. Zwei- bis dreimal pro Jahr ist er am selben Ort, bei Bedarf wird nachgeliefert.
Weiterbildung & Events

In den Gebäuden der ehemaligen LPG – kein riesiger Stall, viele Fachwerkhäuser – hat die Familie Lindig, wie einst, wieder ihren Platz gefunden: kleiner Laden, Produktions- und Lagerräume. „Vom Dorf kann man nicht leben, man muss etwas tun“, betont Dirk Lindig, der seit 2018 Augsburger Fleischsommelier ist. Drei Jahre zuvor entschied er sich eine Garage in einen Raum für Steak-Tastings und Seminare umzubauen, inklusive 20 m² Dry-aged-Reifezelle mit Salzsteinen – damals die Drittgrößte ihre Art in Deutschland. „Eine Entscheidung, die unsere Fleisch-Philosophie stützt“, sagt er. Im Raum hängen alle seine Zertifikate von Weiterbildungen an der Fleischerschule Augsburg (u.a Grillmeister, Cortador, Asador, Sommelier-Kultur). „Der gute Draht dorthin besteht seit meiner Lehre. Weiterbildung ist Aufklärungsarbeit am Kunden, dafür muss man sich Zeit nehmen“, betont er. Dreimal pro Woche, max. 20 Gäste von 18 bis 22 Uhr, bis Mai 2026 ausgebucht, vermittelt er seine Fleischphilosophie.

Das Fleisch von ein bis zwei roten Angus-Rindern pro Woche, die vier Jahre im Freiland weiden, liefert seit 2015 der Züchter Matthias Weise aus dem 15 km entfernten Neustadt/Orla. 30 bis 35 ein Jahr alte Landschweine pro Woche, auf Stroh gehalten, kommen von einem Landwirt aus dem sächsischen Nachbarlandkreis, der auch 14 Monate alte Mangalitza-Wollschweine züchtet. Es gibt keinen Tiertransport, alle Tiere werden auf den Höfen geschlachtet, die Rinder per Weideschuss. Dirk Lindig ist selbst dabei.
Nach dem Kurs zum Zertifizierten Grillmaster wurde der überdachte Outdoor-BBQ-Bereich vor dem Eventraum sukzessive erweitert und ausgebaut. „Für Grill-Events mit fünf Gängen, Craft-Bier, edlen Weinen, u.v.m. Neben der normalen Arbeit, auch Firmenfeiern mit 60 Gästen und unser traditioneller ‘Männertag’ im Mai mit bis zu 3.000 Leuten“, sagt er. Nach der Asador-Tour (März 2026) nach Südamerika sollen im Sommer Asador-Abende auf einer angrenzenden Wiese starten – Feuerstelle, Teich und einige Sandsteinreihen gibt es schon.
Ausblick 2026
Was steht an? Im Januar wieder die Teilnahme an der 100. Int. Grünen Woche in Berlin. Seit zehn Jahren vertritt die Landfleischerei Thüringen alle Tage dort als einziger Handwerksbetrieb. „Das macht mein Bruder, ich liefere an und baue mit auf“, so Dirk Lindig. Schließlich gilt es wie jede Woche ab 4 Uhr morgens 1,5 t Wurstwaren herzustellen – zu dritt in der Wurstküche. „Zum Glück sind es vom Wohnhaus nur ein paar Schritte“, grinst er. Auf der Grünen Woche kam der Kontakt zum schottischen Whisky-Hersteller „Spirit of Highlands“ zustande, mit dem am 11. April 2026 zum vierten Mal ein Raritäten-Tasting „Whisky & Fleisch“ (Motto „Islands“) stattfindet (max. 25 Gäste). Für seine Events macht er keine Werbung. „Qualität spricht sich rum“, sagt er. Auch Schinken und Fleisch vom Iberico-Schwein und Kobe-Rind gibt es hier. Jedes Jahr zum Start der Thüringer Sommerferien macht das Lindig-Team drei Wochen Betriebsurlaub, um Kraft zu tanken.
Marco Theimer