Anna Spiess Kaufland Tierwohl

Kaufland: Respekt fürs Tier

Im Interview erklärt Anna Spiess, Leiterin Nachhaltigkeit im deutschen Einkauf bei Kaufland, die Strategie des Handels­unter­nehmens bezüglich Regionalität, Nachhaltigkeit und Tierwohl.

Frau Spiess, welchen Stellenwert haben regionale Produkte in der Sortimentsstrategie von Kaufland – und was sind die Beweggründe dafür?

Regionalität hat für uns einen besonderen Stellenwert – das ist mir persönlich auch sehr wichtig. Ich betone immer, dass wir bei Kaufland eine klare Definition haben, was oft in der Diskussion fehlt: Bei uns gilt ein Produkt als regional, wenn es in einem Umkreis von 30 Kilometern um die jeweilige Filiale produziert wird. Wir ziehen sozusagen einen Kreis um jeden Standort, und alles, was innerhalb liegt, ist für diese Filiale ein regionales Produkt. Das kennzeichnen wir auch entsprechend am Regal mit einem „Regio-Herz“, sodass der Kunde schnell erkennt: Das kommt von hier. Auf dem Etikett finden unsere Kunden zudem den konkreten Produktionsstandort.

Aktuell haben wir rund 25.000 regionale Produkte im Sortiment, etwa Honig vom lokalen Imker oder Milch von der regionalen Molkerei – von insgesamt rund 2.000 regionalen Lieferanten. Wir arbeiten hier sehr kleinteilig, aber auch sehr genau. Der Einkauf wird zentral gesteuert, natürlich in Abstimmung mit den Regionen. Denn gerade bei Obst und Gemüse, aber auch bei vielen anderen Kategorien, möchten wir unseren Kunden die Möglichkeit geben, regionale Strukturen zu fördern.

30 Kilometer klingt sehr streng. Wie einfach ist das umzusetzen – gerade in Regionen, die landwirtschaftlich nicht so stark aufgestellt sind?

Es ist definitiv anspruchsvoll. Aber wir haben den Vorteil, dass Kaufland zwar zentral organisiert ist, aber auch über regionale Vertriebseinheiten verfügt. Unsere Regionen haben den engen Kontakt zu Produzenten und Verbrauchern vor Ort. Häufig melden sich auch regionale Erzeuger selbst bei uns – beispielsweise ein Imker, der seinen Honig in den nahegelegenen Kaufland bringen möchte.

Natürlich ist die Umsetzung nicht überall gleich einfach. Es gibt Regionen, wo wir mehr anbieten können als anderswo. Aber wir bleiben bei unserem strengen Verständnis. Unsere Mitarbeiter vor Ort prüfen und begleiten das genau. Regionalität ist ja durchaus auch emotional. Wir beziehen uns auf den Radius von 30 Kilometern, weil das für die meisten Menschen Heimat ist. Im Umkreis von 30 Kilometern bewegt man sich im Alltag und kennt daher die Höfe oder die Winzer. Das schafft Vertrauen und Identifikation.

Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit insgesamt in der Unternehmensstrategie von Kaufland – besonders im Hinblick auf Tierwohl und Fleischprodukte?

Nachhaltigkeit ist ein zentraler Bestandteil unserer Unternehmensstrategie. Es geht nicht nur um das Sortiment, sondern auch um unsere Standorte, unsere Logistik, die Energieversorgung – also um das gesamte Geschäftsmodell.

Im Einkauf setzen wir besonders viele Maßnahmen um. Die Themen Regionalität und Tierwohl sind dabei fest verankert. Als Händler sind wir eine wichtige Schnittstelle zwischen Erzeugern und Verbrauchern. Wir möchten Standards in der Tierhaltung mitgestalten, in Gremien mitwirken und den Kunden ermöglichen, nachhaltigere Kaufentscheidungen zu treffen – durch ein entsprechendes Angebot und Transparenz am Point of Sale.

Kaufland ist Gründungsmitglied der Initiative Tierwohl – wie engagieren Sie sich darüber hinaus konkret für Tierwohl?

Wir waren von Anfang an bei der Initiative Tierwohl dabei – seit 2015. Dort geht es um flächendeckende, kleinere Verbesserungen über das gesetzliche Maß hinaus. Wir wollten aber mehr tun. Deshalb haben wir 2016 unser eigenes Tierwohlprogramm „K-Respekt fürs Tier“ gestartet. Das erfüllt heute die Kriterien der Haltungsform Stufe 3, ist aber älter als das Kennzeichnungssystem selbst.

Wir haben das Programm zunächst beim Schweinefleisch gestartet, 2021 dann auch auf Rindfleisch ausgeweitet. Ziel war von Anfang an: mehr Platz, Außenklima, überwiegend regionales Futtermittel sowie Stroh bei den Schweinen. Ein Highlight war vergangenes Jahr die komplette Umstellung unserer Trinkmilch auf die höheren Haltungsformstufen 3, 4 und 5 sowie die vollständige Umstellung unseres Putenfleischsortiments auf Stufe 3.

Wichtig ist uns außerdem die Transparenz für den Kunden – daher ist unser Engagement auch am Produkt und in der Filiale sichtbar.

Welche Position vertritt Kaufland zur Haltungsformkennzeichnung? Ist das aus Ihrer Sicht ein wirkungsvoller Hebel für Veränderung?

Ja, auf jeden Fall. Wir haben schon früh die Haltungsformkennzeichnung im Lebensmitteleinzelhandel eingeführt – zusammen mit Lidl. Sie ist notwendig, damit Kunden eine informierte Entscheidung treffen können.

Was wir uns wünschen würden, ist eine Ausweitung auf alle Vertriebskanäle. Heute ist die Kennzeichnung hauptsächlich im Einzelhandel sichtbar. Aber was ist mit Gastronomie, Kantinen oder Onlineshops? Da fehlt noch Transparenz. Wir würden uns wünschen, dass Kunden überall nachvollziehen können, woher ihr Fleisch kommt.

Zudem gibt es beim staatlichen System noch Nachbesserungsbedarf – zum Beispiel in der Ganztiervermarktung. Eine gewisse Flexibilität, etwa beim Downgrading einzelner Teilstücke, wäre aus unserer Sicht sinnvoll, um höhere Haltungsformstufen wirtschaftlich umzusetzen.

Welche Siegel oder Zertifizierungen kommen im Fleischsortiment zum Einsatz?

Neben der Haltungsformkennzeichnung und dem Siegel der Initiative Tierwohl setzen wir auf das QS-Prüfsiegel und auf Bio-Zertifizierungen. In unserer Eigenmarke K-Bio haben wir viele Artikel von EU-Bio auf Bioland umgestellt. Im Fleischbereich nutzen wir auch unser Kaufland-eigenes Siegel „Qualität aus Deutschland“ sowie das branchenübergreifende Herkunftskennzeichen „Gutes aus deutscher Landwirtschaft“, das besonders hervorhebt, dass alle Wertschöpfungsstufen in Deutschland stattfinden – ein klares Bekenntnis zur heimischen Landwirtschaft. Aktuell bieten wir in unserem Sortiment über 1.200 Produkte aus deutscher Landwirtschaft an. Im Mai 2025 haben wir zudem den Bundesehrenpreis für Qualität und Nachhaltigkeit in Gold der DLG erhalten. Insgesamt wurden 261 Fleisch- und Wurstprodukte prämiert.

Kaufland Regioherz Regal
Kaufland

Welche konkreten Vorteile bietet Ihr Qualitätsfleischprogramm den Erzeugern?

Ein entscheidender Punkt ist Planungssicherheit. Unsere Landwirte haben feste Verträge und eine garantierte Abnahme ihrer Tiere. Gerade bei Investitionen wie Stallumbauten ist das enorm wichtig. Wir zahlen zudem einen Bonus für den Mehraufwand – mehr Platz, Außenklima, Stroheinstreu kosten schließlich auch mehr. Für viele war das auch in Krisenzeiten eine stabile Vermarktungsmöglichkeit.

Mittlerweile sind über 100 Landwirte im Programm – viele haben sich langfristig für fünf Jahre gebunden. Das zeigt uns: Die Zusammenarbeit funktioniert, und das Programm ist nachhaltig tragfähig.

Als Händler treten wir auch als Partner der Landwirtschaft auf – auf Augenhöhe. Wir kennen jeden Landwirt im Programm, wir sind im regelmäßigen Austausch und wollen gemeinsam Tierwohl in die Ställe bringen. Das ist keine Selbstverständlichkeit – aber für uns ein fester Bestandteil unserer Arbeit und Überzeugung.

Wie stellt Kaufland sicher, dass die Produkte in ausreichender Menge und dauerhaft verfügbar sind?

Wir haben direkte Vereinbarungen mit den Landwirten, inklusive Mengen und Zeitfenstern und unterstützen sie in jeder Hinsicht. So können wir die Belieferung genau planen und steuern. Manche steigen mit kleinen Mengen ein und steigern sich dann. Durch unser Netzwerk – auch über die Kaufland Fleischwerke – haben wir sehr gute Steuerungsmöglichkeiten.

Werden Ihre Mitarbeiter im Hinblick auf Tierwohl und Nachhaltigkeitskennzeichnungen geschult – insbesondere an der Frischetheke?

Ja, Schulungen sind uns sehr wichtig. Es gibt Online-Schulungen zu Nachhaltigkeitsthemen und speziell für unsere Thekenmitarbeitenden arbeiten wir mit sogenannten Frischetrainern. Das sind erfahrene Kollegen mit Vertriebs- und Thekenhintergrund, die regelmäßig Schulungen in den Filialen durchführen – praxisnah und direkt am Produkt.

Dabei geht es nicht nur um Zubereitung, sondern auch um Kennzeichnungen wie Bio, Demeter, Bioland oder eben die Haltungsform. Und weil unsere Theken gekennzeichnet sind, setzen sich die Mitarbeitenden auch täglich mit den Labels auseinander.

Wie informieren Sie Ihre Kunden über Ihr Engagement?

Zentral ist natürlich der Point of Sale. Wir setzen auf klare Kennzeichnung am Produkt und am Regal. Viele Verpackungen enthalten QR-Codes mit weiterführenden Informationen. In den Märkten nutzen wir Displays, digitale Bildschirme und auch klassische Kanäle wie unseren Handzettel.

Online informieren wir auf unserer Website sehr umfassend und spielen Inhalte auch über Social Media aus. Wichtig ist uns: Wer mehr wissen will, kann es auch wirklich erfahren.

Welche Rückmeldungen erhalten Sie von Kunden – und fließen diese in die Strategie ein?

Tierwohl ist für viele Kunden ein wichtiges Thema – besonders für die junge Zielgruppe. Diese Rückmeldungen berücksichtigen wir natürlich. Aber wir schauen auch auf gesellschaftliche Entwicklungen, nicht nur auf Einzelmeinungen. Unsere Sortimentsentscheidungen – etwa die Umstellung ganzer Warengruppen – treffen wir auch im Hinblick auf langfristige Erwartungen und Trends.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Michael Teodorescu

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