Neues zu einem schwierigen Thema

Von Tagungsmüdigkeit war keine Spur, mit 150 Teilnehmern war die Veranstaltung weit überbucht. Das dichte Tagungsprogramm behandelte in 13 Vorträgen das Neueste zur Gasbetäubung beim Schwein, zur Elektrobetäubung beim Rind und zu den Veränderungen der Schlachttechnologie infolge von BSE.
Schon der Eröffnungsvortrag gab der Tagung das Motto vor: „Gerade bei kritischen Fragen ist agieren besser als reagieren“, mahnte Albert Baumann von der Micarna/Migros in der Schweiz an. Entsprechend zeigte er, wie der Schweizer Lebensmittelkonzern Migros bereits ein gutes Stück auf dem aktiven Weg der Imageverbesserung zurückgelegt hat. Mit der „M-7-Punkte-Garantie“ für Fleisch hat sie ein über die gesamte Kette übergreifendes Qualitäts- Programm aufgebaut, das nun auch die Fragen der Betäubung und Schlachtung mit der Fokussierung auf den Tierschutz aufgreifen soll. Derzeit wird speziell bei Schweinen die Betäubung mit Gasgemischen überprüft. Auf diese Tests wurde in den ersten beiden wissenschaftlichen Vorträgen ausführlich eingegangen.

Betäubung mit Argon
Wenn schon geschlachtet wird, so muss dies unter sorgfältigster Beachtung des Tierschutzes geschehen. Man greift deshalb zunehmend zu den sanfteren Methoden, wie der Betäubung mit Kohlendioxid. „Wir gehen aber weiter und arbeiten heute mit dem Edelgas Argon, auch in hochprozentiger Mischung mit Stickstoff“, erläuterte die Tierärztin Dr. Ulrike Machold von der BAFF. Argon hat sich als besonders Tierschutz gerechte Möglichkeit erwiesen, eine Narkose einzuleiten. Allerdings treten nach Argonanwendung gehäuft punktförmige Muskelblutungen im Schinken auf, ein Problem, das weiter bearbeitet werden soll.

Mehr Tierschutz beim Zutrieb
Trotz dieses neuen Trends ist aber die Betäubung mit Kohlendioxid weiterhin ein zu Recht eingesetztes Verfahren. Auch hier ist das Hauptaugenmerk der Arbeiten darauf gerichtet, eine schnelle und schonende Betäubung der Tiere zu erzielen. Dabei gilt als ein besonders kritischer Bereich der Zutritt der Tiere zu der mit Gas gefüllten Betäubungsanlage. In diesem Punkt wurde nunmehr viel erreicht: Gleichmäßige und rutschfeste Böden, die optische Wirkung von Spiegeln und die Ausleuchtung im Betäubungsraum sowie Türöffnungs- und Sperrsysteme auf dem Weg dorthin bringen die Tiere zu Fortbewegung, ohne dass lautes Treiben notwendig wäre. „Das funktioniert aber nur, wenn auch das Personal verstanden hat, wo es lang geht“, warnte Dr. Karen von Holleben vom „Beratungs- und Schulungsinstitut für schonenden Umgang mit Zucht- und Schlachttieren“ in Schwarzenbek.

Elektrobetäubung beim Rind
Beim Rind geht die Diskussion um die Betäubung nachgerade in die entgegengesetzte Richtung. Hier ist die Elektrobetäubung im Aufwind, die ja beim Schwein vereinzelt als weniger vorteilhaft angesehen wird. Die drei Aspekte Verbraucher-, Tier- und Arbeitsschutz scheinen die Elektrobetäubung beim Rind in der Summe zum akzeptierten Verfahren zu machen. Für Tierarzt Matthias Moje von der BAFF steht schon heute fest: „Es fehlen nur noch wenige Schritte, um bei der Elektrobetäubung Tierschutz und Verbraucherschutz vollständig in Einklang zu bringen.“ Ergänzende Ergebnisse belegen im Übrigen, dass diese Methode die Fleischqualität im Sinne des Verbrauchers insgesamt durchaus positiv beeinflusst.

BSE nicht verdrängt
Im dritten Themenkomplex des Kolloquiums stand noch einmal, trotz der in Deutschland rasch sinkenden Fallzahlen, BSE auf dem Programm: Das Zentralnervensysten der von dieser Krankheit befallenen Tiere enthält die krankmachenden Prionen. Dies macht Gehirn und Rückenmark zu Risikomaterial, das daher nicht mit dem Fleisch in Berührung kommen sollte. Das wiederum löst eine Kaskade von erforderlichen Maßnahmen aus, die die Schlachtlinie so verändern, dass die Kontamination des Fleisches sicher verhindert wird. Grundlegende Untersuchungen am Schlachthof Kulmbach widmeten sich dem Anfangspunkt der Kette. „Die bisher übliche Bolzenschussbetäubung wird plötzlich zum Gesundheitsrisiko“, beschrieb Dr. Hans-Joachim Mintzlaff, Leiter des Schlachthofs Kulmbach die Situation. Der Bolzen drückt im Schuss Gehirngewebe in den allgemeinen Blutkreislauf, so dass bei erkrankten Tieren die Ausstreuung von Prionen in das Fleisch denkbar ist. Neue Methoden versetzen den Tieren mit einem stumpfen Schlag ohne Verletzung eine betäubende „Gehirnerschütterung“, die wie eine Narkose wirkt. Soweit bisher absehbar, scheint das Verfahren im Hinblick auf die Schnelligkeit und Tiefe der Betäubung sowie die Ruhigstellung der Tiere eine erfolgreiche Lösung zu sein. Allerdings ist die technische Wiederholbarkeit der Methode derzeit noch ein Problem, an dem weiter zu arbeiten ist.

Nachweis von Nervengewebe
Auch bei der weiteren Zurichtung der Schlachtkörper und Teilstücke werden gewisse Risiken der Kontamination durch BSE gesehen. Damit die Sicherheit in diesem Umfeld zuverlässig beurteilt werden kann, wurden eigens Methoden entwickelt, die in der Lage sind, selbst Spuren von verschlepptem Risikogewebe zu erfassen. Der Biochemiker Dr. Fredi Schwägele von der BAFF bedient sich dabei eines immunologischen Testverfahrens, das sich heute sogar automatisch auswerten lässt: „Hochspezifische Antikörper gegen Nervengewebe fischen Moleküle des Risikomaterials aus den Probelösungen und markieren uns etwa vorkommende Verunreinigungen“, erläuterte er. Wie bei so viel Bemühung zu erwarten, lassen sich damit an einigen Stellen des Schlachtprozesses Sicherheitslücken kenntlich machen.

Alternativen zum Spalten
Dies war für Prof. Dr. Klaus Troeger, Leiter des Instituts für Technologie der BAFF, Anlass, in seinem abschließenden Vortrag die gesamte Metzgerkunst des Ausweidens und Ausbeinens auf den Prüfstand zu stellen. Danach ist es mit guter handwerklicher Praxis, aber auch im industriellen Maßstab möglich, Verschleppung von Risikomaterial bei der Herrichtung des Fleisches völlig zu vermeiden. Auf die richtige Führung der Sägeschnitte – immer am Nervengewebe vorbei – kommt es an. Zusätzlicher Vorteil: die Hygiene und der Genusswert des Fleisches bleiben bei solchen technischen Änderungen auf hohem Niveau. „Aber teurer wird’s natürlich“, meinte der Technologie-Professor, „auch für den Verbraucher!“
Am Ende kam der Moderator der Diskussionen, Prof. Dr. Dieter Seidler, Fachhochschule Lemgo, auf den Ausgangspunkt der Tagung zurück. Die bloße Reaktion auf Emotionen der Öffentlichkeit sei der falsche Weg, meinte er: „In der Wissenschaft müssen wir vorausschauen und dann handeln“. Der erfolgreiche Workshop zeigte, dass dies möglich ist.

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