für GV-net aus London: Kathrin Singer
London. Es scheint ein ungeschriebenes englisches Gesetz zu sein, daß Mann oder Frau im Alter über 35 Jahre eine Saftpresse im Haushalt haben. Außerdem scheint das Gesetz zu beinhalten, daß diese Presse grundsätzlich nicht benutzt wird. All die Apfelsinen auszudrücken, die Mohrrüben und Äpfel zu schälen, ist umständlich und macht einfach viel zu viel Arbeit. Noch schlimmer ist der Abwasch danach, das Zerlegen der Maschine und das aufwendige Säubern der einzelnen Messer.
Kein Wunder also, daß Juicebars mit mondänen Namen wie Squeeze oder Crush in den letzten Wochen auf der Insel, vor allem aber in der britischen Hauptstadt, wie Pilze aus dem Boden sprießen. “Juicebars sind die neuen Kaffeebars”, heißt es mittlerweile bereits euphorisch ob des raschen Erfolgs. Dabei handelt es sich nicht allein um ordinären Orangen- oder Karottensaft – die gibt es selbstverständlich auch – sondern um delikate “Smoothies” auf lowfat-Joghurtbasis vermischt mit gestoßenem Eis. Das wird zum Beispiel mit Blaubeeren, schwarzen Johannisbeeren, Kokosnußcreme, Honig und Banane gemixt und schmückt sich mit dem netten Namen “Bees to Honey”. Oder um Boosters: Getränke, die der Gesundheit so richtig gut tun sollen. Die Zutaten sind dann Ginseng, Ingwer, auch Mohrrüben oder rote Beete.
Anne Sprunt hat genau vor einem Jahr ihre Bar “Squezze” im Londoner Stadtzentrum eröffnet. Die junge Frau kommt aus Australien, ihr Partner und Freund aus Kalifornien und beide waren gleichermaßen entsetzt über das langweile Angebot an Fruchtgetränken in London. Anne, mit solidem kommerziellem Background, hatte deshalb sofort die Idee, das Defizit zu ihrer gewinnbringenden Lebensgrundlage zu machen.
Die Banken waren schnell von der Idee begeistert, schwieriger war es schon, im teueren Londoner Immobilienmarkt ein Geschäft zu finden. In der High Street Kensington, stets geschäftig mit vielen Touristen und Käufern, hat sie offensichtlich das Richtige gefunden. Die Bar macht bereits von außen mit ihren knalligen grünen, orangen und gelben Farben auf sich aufmerksam. Erst recht werden die Passanten neugierig, wenn sie bemerken, daß in den Auslagen von “Squezze” Töpfe über Töpfe mit Gras stehen. Das hat einen besonderen Grund und ist Teil des Gesundheitskonzepts von “Squezze”. Das Gras ist “Wheatgrass”, die jungen, grünen Halme des Weizens, und soll ganz besonders wichtige Bestandteile für die Gesundheit des Menschen beinhalten.
Im Verkaufsraum der Bar gibt es dazu überall an der Wand Informationen. Für denjenigen, der es genau wissen will, steht sogar im Restaurantbereich eine kleine Bibliothek zur Verfügung. Die meisten Informationen sind über das Internet ermittelt und ausgedruckt. Interessenten können sich die Faltblätter mitnehmen. Die Hauptaussage zum “Wheatgrass” läßt sich folgendermaßen zusammenfassen: ein Pfund des Grases entspricht 23 Pfund frischem Gartengemüse. Die Halme enthalten Spuren von fast allen Vitaminen und Mineralen. Es ist gleichzeitig ein komplettes Protein mit über 30 Enzymen. Das Trinken von Weizengras soll gut sein, um rote Blutzellen aufzubauen, den Blutdruck zu normalisieren, das Lymphsystem zu säubern und und und.
Die Popularität des Gewächs ist enorm. Bereits um acht Uhr morgens stehen die ersten Kunden vor der Tür, um sich ihren Schluck zu holen. Ein Büschel Gras wird direkt vor den Augen des Kunden geschnitten, durch einen Fleischwolf gepreßt, sofort serviert und getrunken. Eine Unze – die Briten nutzen immer noch entgegen dem Gesetz diese krummen Einheiten – kostet 1,45 Pfund. Für etwa 28 Gramm Grassaft sind vier Mark wahrlich viel Geld, dennoch ist die Nachfrage groß.
Die meisten Kunden bestellen zwei Unzen für 2.70 Pfund. Das seltsam schmeckende Gesöff muß um seine Wirkung nicht zu verlieren innerhalb von sechs Minuten getrunken werden und macht dann fit für den ganzen Tag. Das dem so ist bestätigten alle Befragten. Es gibt den Saft auch als Detoxifier mit Mohrrübe, Rote Beete, Sellerie und Ingwer vermischt. Nicht schlecht und schmeckt so richtig gesund, verlängert aber sehr den Geschmack des Grases. Kurz: Besser ist es, den Schluck wie Medizin einzunehmen – dann ist es schnell vorbei – um danach einen leckeren “Smoothie” zu konsumieren. Das mit dem Geschmack ist ohne Einschränkung zu bestätigen.
Der Smoothie “Melon Madness” (Melonen Verrückt) ist köstlich und besteht aus Joghurt, zerstoßenem Eis, Apfelsaft, Cantaloupe, Honig und Banane. Genauso gut ist “Strawberry Fields” mit Joghurt, Eis, Apfelsaft, Erdbeeren und Banane. Es gibt bei ” Squezze” 17 verschiedene Varianten und wem das nicht ausreichend ist, kann sich natürlich auch selbst seinen Drink mixen. Alle Getränke gibt es in 275 ml und 450 ml Bechern und kosten zwischen 2.50 Pfund und 3.50 Pfund. Enorm viel Geld, doch die Kunden sind bereit, es zu zahlen.
Neben aller Euphorie sind natürlich auch die Risiken dieser Branche nicht zu übersehen. Alle Bars hatten anfangs das Problem zuverlässige, gute Zulieferer zu finden, denn nicht jeder hat so gute Beziehungen wie “Fluid”. Die nämlich beziehen die organischen Karotten unter anderem von Prinz Charles Gut in Highgrove. Auch das Wetter kann einen ziemlichen Strich durch die Rechnung machen. An regnerischen Tagen wird einfach weniger Saft getrunken, an heißen Tagen steht die Kundschaft in Schlangen vor der Bar. Noch sind die Londoner Bars in ihrer Bewährungsphase. Analysten behaupten jedoch, daß die Gewinnmarge zwischen 350 und 1250 Prozent liegt, entsprechend dem Produkt. Diese Aussage ist vielversprechend und hält die Besitzer neben dem täglichen Schluck Weizengrassaft fit.
Squezze
27 High Street Kensington
London W8 5NP
Tel. 0044 171 376 9786
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Juice-up
Little Havanna
1 Leicester Square
London WC2H 7 BP
Te.l: 0171 287 9450
Fax: 0171 287 9451
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Fluid
208 Fulham Road
London SW10
Tel: 0044 181 964 6075
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Joose Moose
Health Club/Bar
Oxford Street
Tel: 0044 171 637 8028
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Joose Moose
28 James Street
0181 487 2882