Der Markt von probiotischen Joghurts, Sport- und Energy-Drinks sowie ACE-Getränken boomt: Im vergangenen Jahr war jeder 6. Joghurt ein probiotischer (17 %), 1996 lag der Marktanteil noch bei 2 %[*]. Das Marktvolumen von ACE-Getränken stieg im gleichen Zeitraum von 9 Mio. Liter auf 229 Mio. Liter, das der Sport- und Energy-Drinks wuchs von 33 Mio. Liter auf 74 Mio. Liter.
Welche Produkte nutzen wem und wann? Anlässlich eines DGE-Journalistenseminars wurden Aspekte zum sinnvollen Einsatz von Functional Food diskutiert.
Functional Food bezeichnet Lebensmittel, die über den Nährwert und Geschmack hinaus einen positiven Einfluss auf Gesundheit und Wohlbefinden ausüben bzw. Krankheitsrisiken reduzieren. Im Gegensatz zu Nahrungsergänzungsmitteln werden sie als “richtiges” Lebensmittel – und nicht in Form von Kapseln oder Pillen – angeboten. Hierbei handelt es sich z. B. um ein verarbeitetes Lebensmittel, wie das Omega-3-Brot, bei dem während der Herstellung Omega-3-Fettsäuren hinzugefügt werden. Allerdings kommen auch einige Wirkstoffe in natürlichen Lebensmitteln vor, die zu einer vollwertigen Ernährung beitragen. So enthalten beispielsweise Makrele und Lachs von Natur aus die wichtigen Omega-3-Fettsäuren. Probiotische Joghurts waren in Deutschland die Wegbereiter für Lebensmittel mit Gesundheitseffekt: Die ersten Produkte wurden im Jahr 1996 angeboten. Sie stellen derzeit sicherlich die am meisten untersuchte Functional Food-Gruppe dar. Später folgten Präbiotika sowie mit antioxidativen Vitaminen angereicherte Erfrischungsgetränke (ACE-Säfte). Omega-3-Brot und Omega-3-Eier kamen 1998 erstmals auf den Markt. Ein weiterer bedeutender Schritt war die Zulassung einer mit Pflanzensterolen angereicherten Margarine im Jahr 2000.
Pflanzensterole (auch Phytosterole genannt) sind natürliche Inhaltsstoffe in Pflanzenölen, Nüssen, Saaten, Getreide, Obst und Gemüse. Sie vermindern die Absorption von Nahrungscholesterol im Darm und senken somit die Cholesterolkonzentrationim Blut. Für Personen mit stark erhöhten Cholesterolwerten können mit Pflanzensterolen angereicherte Lebensmittel eine effektive zusätzliche Behandlungsmöglichkeit darstellen, um die notwendige Medikamentendosis zu senken.
Aktuell in der Diskussion stehen Phytoöstrogene, die aufgrund ihrer östrogenähnlichen Wirkung mit der Prävention von Brust- und Prostatakrebs in Verbindung gebracht werden. Sie kommen vor allem in Sojabohnen vor. Asiatische Frauen verzehren im Vergleich zu Westeuropäerinnen wesentlich mehr phytoöstrogenhaltige Sojabohnen. Beschwerden während und nach den Wechseljahren wie Hitzewallungen oder Osteoporose treten bei den Asiatinnen seltener und weniger stark ausgeprägt auf. Hier wurde in den vergangenen Jahren ein Zusammenhang vermutet. Es stellt sich aber heute die Frage, inwieweit die in den asiatischen Ländern gemachten Beobachtungen tatsächlich auf die Aufnahme von Phytoöstrogenen zurückzuführen sind. In der Mehrzahl der derzeit verfügbaren Studien konnte keine signifikante Abnahme der typischen Wechseljahrsbeschwerden beobachtet werden. Für einen Schutz von Phytoöstrogenen vor Brustkrebs und Osteoporose fehlen ebenfalls überzeugende Daten. Immer häufiger werden in Drogerie! märkten, Apotheken oder Supermärkten Phytoöstrogene als Nahrungsergänzungsmittel angeboten. Mögliche Nebenwirkungen dieser Nahrungsergänzungsmittel sind allerdings bislang noch nicht untersucht.
Auch der Markt an Sport- und Energy-Drinks boomt. Aber bringen sie wirklich Fitness aus der Dose? Solche Muntermacher sind neben Koffein mit Taurin, Glucuronlacton und Inosit versetzt. Alle drei Stoffe kann der Körper in ausreichender Menge selbst produzieren, einen zusätzlichen Nutzen bringen sie durch das Getränk nicht. Jugendliche, Nachtschwärmer und Autofahrer erhoffen sich von Energy-Drinks den besonderen Kick. Tatsache ist, dass weder eine körperliche noch eine geistige Leistungssteigerung belegt ist. Der Koffeingehalt von einer Dose ist vergleichbar mit dem einerTasse Kaffee. Guarana-Drinks enthalten jedoch die bis zu vierfache Menge. Gerade für Kinder ist der Koffeingehalt dieser Getränke zu hoch.
Einige Hersteller können die Wirksamkeit ihrer funktionellen Lebensmittel mit wissenschaftlichen Studien belegen. Mit der Ausweitung des Angebotes kommen aber immer mehr Nachahmer auf den Markt. Mit geschickten Formulierungen werden Wirkungen angepriesen, die bisher nicht durch Studien belegbar sind.
Aus Sicht der DGE ist derzeit der Markt für funktionelle Lebensmittel kritisch zu betrachten: Functional Food ist grundsätzlich keine Garantie für eine bedarfsgerechte und ausgewogene Ernährung. Ernährungsfehler lassen sich auch durch den Verzehr von funktionellen Lebensmitteln nicht beseitigen. Solange nicht genügend wissenschaftliche Daten über die Wirkungen vorliegen, beschränken sich die Empfehlungen der DGE auf eine vollwertige Ernährung mit viel Gemüse und Obst. Welche Maßnahmen müssen aber für einen sinnvollen Einsatz von Functional Food ergriffen werden, so dass Functional Food einen zeitgemäßen Beitrag zur Prävention von ernährungsmitbedingten Erkrankungen leisten kann? Hier fordert die DGE:
1. Die Forschung, insbesondere im Bereich der Interventionsstudien, ist zu forcieren. Epidemiologische Befunde müssen richtig eingeordnet werden und passende Anwendungsfelder für funktionelle Lebensmittel definiert werden. Eventuelle gesundheitliche Risiken sind abzuklären und auszuschließen.
2. Für den sinnvollen Einsatz ist eine sachkundige Aufklärung und Beratung des Verbrauchers oberstes Gebot. Hier müssen Strategien entwickelt werden, wie die richtigen Zielgruppen erreicht und wie entsprechende Programme zur Ernährungsaufklärung und -erziehung etabliert werden können.
3. Auch kann eine bessere Zusammenarbeit der Hersteller zur schnelleren Aufklärung von Mechanismen und Wirkungen beitragen.
4. “Health Claims” ähnlich wie in den Vereinigten Staaten oder der Nordeuropäischen Länder müssen etabliert werden.Vorraussetzung ist eine brauchbare wissenschaftliche und rechtliche Basis, die für funktionelle Lebensmittel noch geschaffen werden muss.