Seit zehn Jahren gibt Metzgermeister und Fleischsommelier Philipp Sontag sein Wissen u.a. in Sachen Fleisch, Special-Cuts, Homologie der Wirbeltiere, Dry-aging, BBQ, Garmethoden, etc. in Events und Kursen weiter. 2021 baute er dafür das Dachgeschoss der Metzgerei zur „Fleischbühne“ aus.
In der „Fleischbühne“, nicht auf der „Fleischbühne“, denn eine erhöhte Bühne üblicher Art gibt es in dem loft-ähnlichen großen Raum unter dem Dach nicht. Nur einen großzügig mit Profi-Koch- und Gartechnik, zwei Dry-age-Reifeschränken, Kühlmöbeln ausgestatteten Frontcooking-Bereich sowie Tische und Stühle mit Platz für 35 Gäste. Im Boden vor der Showküche eingelassen, eine mehrere Meter lange Info-Tafel mit dem Vergleich der oberen Extremitäten (Hand, Elle, Speiche, etc.) verschiedener Tiere. Titel: „Homologie der Wirbeltiere“. An der Rückwand hängen Schulterblätter verschiedener Tiere, u.a. vom Rind, Marder, Schwein, Schaf oder Dachs, fein präpariert und sorgfältig beschriftet.

Ein Freitagnachmittag, Mitte September, 17 Uhr. Zum Fleischkurs „Zerlegung und Garmethoden“ sind 23 fleischaffine Herren und zwei Damen gekommen. In der „Fleischbühne“ veranstaltet Philipp Sontag im Schnitt pro Jahr ca. 25 Events, zu denen dieser Kurs acht- bis neunmal zählt. Der Rest: exklusive Gruppenevents wie Tagungen, Seminare, z.B. für Köche, Jäger, Landwirte usw. Oft buchen Firmen die „Fleischbühne“ samt Dozent, um ihren Mitarbeitern oder Kunden mit diesen Fleischerlebnissen etwas Gutes zu tun.
Auf den Tischen stehen Brotzeit-Brettchen mit Rohwürsten und Schinken, Brot und Backwerk. Gekühlte Getränke stehen zur freien Verfügung zur Wahl. Rund 90 Minuten dauert der erste Teil dieses Kurses. Philipp Sontag referiert pointiert, abwechslungsreich, fachlich korrekt und schmückt alles mit Anekdoten aus. Etwa der, als er zu einer Notschlachtung zu einer Bäuerin kam, die behauptete ein Rind habe sich das Knie gebrochen, es war aber das Sprunggelenk. „Der Kurs richtet sich an Interessierte, die etwas lernen möchten. Es geht um Basiswissen in Sachen Fleisch und Zubereitung“, erklärt er. Zentrale Themen: der Unterschied von Fleisch- und Bindegewebseiweiß, Zartheit und Zähheit desselben, Anatomie der Vierbeiner (Wo sitzt welches Stück Fleisch?), was passiert physikalisch beim Garen von Fleisch sowie Grundlegendes zu den Garmethoden Kurzbraten und Schmoren.
Vom Haken auf den Tisch

Von Kopf bis Fuß in Hygienekleidung gewandet, geht es zu Teil 2 des Kurses gegen 18:30 Uhr in die Wurstküche und Zerlegung der Metzgerei. Darauf haben die Teilnehmer und Teilnehmerinnen gewartet. Ihre Augen sind groß, es wird gefachsimpelt, Neugierde gewinnt die Oberhand. Dann ist es soweit. Assistiert von Metzgermeister und Fleischsommelier Mike Hepp, schiebt Philipp Sontag via Rohrbahn ein Hinterviertel einer 380-kg-Färse, die zwei Jahre auf der Weide graste, aus dem Kühlhaus in den Zerlegeraum. Ohne Rücken landet das stattliche Fleischteil auf dem Zerlegetisch. Das Zerlegen beginnt, viele zücken ihr Handy, machen Fotos und kleine Videos. „Hier: die Achillessehne“, sagt Philipp Sontag und zieht sie wie einen Expander vor seiner Brust weit auseinander. Detailliert erklärt werden die Fleischteile und Steak-Cuts nach und nach auf den Tisch gelegt: Inside Skirt, Flanksteak, Ribs, Roastbeef, Filet, „Birne“ – ein kleiner Muskel für Steaks und Medaillons –, Bürgermeisterstück, Nuss, Tafelspitz, etc. Alle hören aufmerksam zu und erfahren für was und wie man die einzelnen Special-Cuts am besten zubereitet.
„Hier geht es um Fleischverständnis. Aus jedem Stück Fleisch etwas Gutes und Geschmackvolles zu machen“, betont er. Laut wird es nur, als er die Beinscheiben mit der Bandsäge in ihre bekannte Form schneidet. Die Säge braucht er auch, um den Oberschenkelknochen längs zu teilen. „Mein Tipp: Den Knochen bei der Grillparty als ‘Roasted Bone’ bei 170 bis 180°C stark angrillen und das geschmolzene Mark auf einer Brioche als Amuse guele anbieten. Ihre Gäste werden sich die Finger lecken“, sagt er. Viele weitere Tipps folgen, auch als danach T-Bone- und Porterhouse-Steaks eines bis zu acht Wochen gereiften Dry-age-Rinderrückens gesägt und geschnitten schneckenförmig drapiert werden. Nun ist der Tisch komplett und die meisten nutzen die Chance zum Einkauf.
Zeit für BBQ

Voller Eindrücke und hungrig gehen die 25 Fleischfreunde und -freundinnen zurück in die „Fleischbühne“ – entledigt vom Plastikschutz der Hygienekleidung. Es ist 20:45 Uhr. Nun beginnt der gemütliche Teil. Auf einem kleinen Balkon neben der „Fleischbühne“ wurden inzwischen ein Smoker und ein runder Kugelgrill angeheizt sowie eine den Gästen entsprechende Zahl an Dry-aged-T-Bones sous-vide vorgegart. Die lodernde Glut in den Kugelgrill, Steaks auf den Rost, Flammen schlagen hoch, alles brutzelt. Nach einigen Minuten genießen die Gäste nicht nur dieses edle Fleisch, sondern weitere Spezialitäten aus der Frontcooking-Station, wie Brisket, Pulled Pork, Kraut- und Waldorfsalat, Baguette und verschiedene Salsas. Später nehmen sie ihren Einkauf vakuumiert und in Taschen gepackt und ein „Teilnahme-Diplom“ mit nach Hause. Ein gelungener Abend in der Metzgerei Sontag ist zu Ende. Marco Theimer