Radiocäsium – auch 15 Jahre nach Tschernobyl ein gewisses Problem

Während die Bodenkontamination von landwirtschaftlich genutzten Flächen heute absolut keine Probleme mehr aufwirft, sind in einigen der betroffenen Gegenden die Auswirkungen der Kontamination in Waldökosystemen noch deutlich zu spüren. Wildbret (vor allem Schwarzwild) aus solchen Gebieten kann in gewissen Jahreszeiten mit erhöhten Mengen des Cäsium-Isotops-137 kontaminiert sein.
Schwarzwild ernährt sich u.a. von Insekten, Larven, Würmern, Mäusen, aber auch von Pilzen und Wurzelteilen aus dem Waldboden, in denen Cäsium-137 angereichert wird. Der Hauptgrund hierfür liegt im niedrigen pH-Wert des Waldbodens, der oft noch mit einem Kaliummangel einhergeht. Aufgrund vielfältiger Umwelteinflüsse wie “saurer Regen” u.a. liegt der pH-Wert fast immer unter dem Wert von 5,5. Pflanzen nehmen unter diesen Bedingungen Radiocäsium in unterschiedlichen Mengen über die Wurzeln auf, wodurch es über die verschiedenen Nahrungsketten zum Wild gelangt.
Auf landwirtschaftlich genutzten Flächen hingegen wird dem Boden, infolge der Düngemaßnahmen, genug Kalium zugeführt und der pH-Wert durch Kalkung weit über 5,5 gehalten, wodurch das Radiocäsium nahezu irreversibel an die Bodenbestandteile gebunden vorliegt und unter diesen Bedingungen nicht von Pflanzen aufgenommen werde kann.
Mit der Kontamination des Waldökosystems gelangt Radiocäsium vor allem über Äsungspflanzen (Futterpflanzen) in den Wildbestand. Die Höhe der im Wildbret vorliegenden Radiocäsiumkontamination wird von verschiedenen Einflußfaktoren bestimmt, wie beispielsweise der Tierart, dem Erlegungszeitpunkt, dem Verhalten beim Äsen (z.B. Standorttreue beim Rehwild) sowie dem Alter der Tiere.
Bei näherer Betrachtung dieser Faktoren ergibt sich, dass Rotwild die bei weitem unkritischte Tierart bezüglich einer Radiocäsiumkontamination ist. Bei Rehwild muß unterschieden werden, ob die Tiere in einem großen, geschlossenen Waldgebiet leben und sich ausschließlich dort ernähren müssen, oder ob sie auch Zugang zu landwirtschaftlichen Flächen haben.
Rehwild, das auch Zutritt zu landwirtschaftlichen Flächen hat, ist fast immer weniger mit Radiocäsium kontaminiert, als Tiere, die in großen und geschlossenen Waldgebieten erlegt werden.
Rehwild aus gefährdeten Gebieten weist in der Regel in den Herbstmonaten September bis November die höchsten Gehalte auf. Die am meisten von einer Radiocäsiumkontamination betroffene Tierart ist jedoch Schwarzwild. In Gegenden und Waldökosystemen, die 1986 von der Deposition mit Radiocäsium betroffen waren, liegt das deutlich höhere Maximum der Schwarzwildkontamination in den Wintermonaten Januar bis März. In den Monaten April bis Oktober ist Schwarzwild hingegen nur gering belastet, oft sogar geringer als die im gleichen Ökosystem lebenden Rehe.
Bezüglich der weiteren Entwicklung der Radiocäsiumkontamination in den vom Fallout betroffenen Gebieten ist festzustellen, dass in hoch kontaminierten Gebieten noch lange mit dem Auftreten erhöhter Radiocäsiumgehalte in Rot-, Reh- und Schwarzwild gerechnet werden muss.
Die Radiocäsiumkontamination verringert sich aufgrund der vorliegenden Kreisläufe in den Waldökosystemen praktisch nur mit der physikalischen Halbwertszeit von 30 Jahren. Damit aus den kritischen Gebieten keine Tiere mit mehr als 600 Bq/kg Frischmasse (Anlehnung an den Grenzwert der EU bei Import aus Drittländern) in den Handel gelangen, müssen die Tiere dort noch viele Jahre lang kontrolliert werden.

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