RFID: Innovation oder Illusion?

Prof. Elgar Fleisch (Leiter des Instituts für
Technologiemanagement, Universität St. Gallen; Co-Chair Auto-ID Labs & M-Lab, Professor für Technologiemanagement an der ETH Zürich) stellte operative und strategische Nutzenpotenziale aus BWL-Sicht vor und erläuterte verschiedene Gründe, die für einen RFID-Einsatz sprechen, z.B.: Out-of-Stock-Situation im Handel, Diebstahl-Sicherung und Waren-Rückverfolgbarkeit. Fleisch führte an, dass durch manuelle Einträge im Warenwirtschaftssystem bis zu 35% der Zahlen falsch seien, hier lohne der RFID-Einsatz , um diese Fehlerquote zu reduzieren. Die Flächen deckende Umstellung von Barcode auf RFID werde nach Einschätzung von Fleisch allerdings genauso lange dauern wie die Einführung des Barcodes: rund 30 Jahre. Eine schnelle Amortisierung sieht er in geschlossenen Kreisläufen, z.B. beim Asset Tagging. Der Einsatz von RFID sei nur sinnvoll, wenn die Kosten günstiger sind als Konkurrenztechnologien, meinte der Wirtschaftsinformatiker weiterhin. Er gehe langfristig von einer Vernetzung aller Objekte in der realen Welt aus und spricht in dem Zusammenhang vom „Internet der Dinge“. Die Einführung des elektronischen Produktcode EPC sei allerdings eine wesentliche
Voraussetzung für die umfassende Vernetzung.
Mark Roberti ( Herausgeber des RFID-Journal) nannte die aus seiner Sicht wichtigsten Gebiete für den RFID-Einsatz: Supply Chain/ Logistik, Asset Management, Manufacturing und Sicherheit. Als
Produktinnovation erwähnte er das Handy von Nokia, dessen Hülle mit einem RFID-Reader ausgestattet sei und durch das Anwendungen in der Near Field Communication zum Einsatz kommen solle. Zurzeit stehe dafür allerdings noch keine Applikation zur Verfügung. Roberti geht weiterhin davon aus, dass bereits im nächsten Jahr auf hochwertigen Gütern wie Notebooks, Druckern etc. RFID-Tags eingesetzt werden.
Christoph Pelich (Leiter Entwicklung VisuM-Middleware, Volkswagen) stellte den Einsatz von RFID im Behältermanagement vor. Seit 2000 seien 13 000 Behälter mit Transponder-Tags ausgestattet. Bei zukünftigen Fertigungen sei geplant, bereits 80.000 Behälter damit zu versehen. Durch die bessere Verfolgbarkeit der Behälter konnten Kosten gespart und Prozesse optimiert werden und so habe sich der
Einsatz nach zwei Jahren bereits amortisiert, erklärte Pelich. Der Konzern entschied sich für aktive RFID-Transponder im Bereich 868 Mhz, da 13, 56 Mhz zur Kollision mit dem hauseigenem WLAN führte.
Dr. Gerd Wolfram (Division Management IT-Strategy, MGI Metro Group Information Technology) erläuterte den Stand der Dinge im Pilotprojekt mit 20 Zulieferern.Bei diesen seien bereits alle Paletten mit RFID ausgestattet, allerdings werde parallel auch der
Barcode noch eingesetzt, da es noch zu technischen Problemen komme, z.B. bei der Programmierung der Tags. Ziel sei es im nächsten Jahr 100 Zulieferer auf RFID umgestellt zu haben. Nächstes Jahr sei weiterhin Phase 2 des Roll out geplant, führte Wolfram aus. Das
bedeute, dass alle Kartons mit Tags der EPC-Generation 2 ausgestattet werden, allerdings seien diese zurzeit noch nicht lieferbar.
Johannes Baumgärtner (Konzern-Datenschutzbeauftragter, Unilever
Deutschland) merkte zum Thema Datenschutz und Akzeptanz beim Endkunden an, dass bestehende Gesetze ausreichten, aber eine Aufklärung durch Industrie und Handel notwendig sei. Die letzte Entscheidung über RFID-Nutzung müsse beim Betroffenen selbst liegen, ist der Datenschutzbeauftragte überzeugt. Potenzielle Risiken für Kunden sieht Baumgärtner im Profiling von Personen anhand von Objekten sowie im Profiling hinsichtlich Verhalten und zur Differenzierung von Verbrauchern, zum Beispiel zur Klassifizierung von Käufern. Unilever werde ab 1. Januar 2005 RFID-Tagging auf Palettenbasis einsetzen, gleichzeitig aber die Fachbereiche und IT-Abteilungen schulen sowie Kunden und Verbraucher über den RFID-Einsatz informieren.
Prof. Dr. Friedemann Mattern, Direktor des Instituts für Pervasive Computing, ETH Zürichstellte neue RFID-Anwendungen sowie die weitergehende Vision des „Ubiquitous Computing“ (die Allgegenwärtigkeit der Informationsverarbeitung) vor. Z.B. könnten Blinde über RFID-Reader mit der Welt in Kontakt treten und
sich über ihre Umgebung informieren. Unter dem Stichwort „Chatty Environment“ stellte Mattern seine Idee von einer Welt vor, in der immer mehr Information über einzelne Dinge oder Gebiete möglich sind, abrufbar beispielsweise über Handies: Wo der nächste Bahnhof ist, welche Inhaltsstoffe in Nahrungsmitteln sind oder mit welchen Nebenwirkungen bei Medikamenten zu rechnen ist. Viele Alltagsgegenstände werden in Zukunft ziemlich genau wissen, wo sie sind und uns dies auch mitteilen können, meinte Mattern.

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