Auch wenn der Reagenzglas-Burger für alle noch teuerste Zukunftsvision ist: Forscher sind auf der Suche nach neuen Eiweißquellen längst fündig geworden. Das Ziel der zu sichernden Welternährung fest im Blick, wird das Angebot innovativer Eiweiße für die menschliche Ernährung immer bunter. Doch was steckt hinter diesen Produkten?
Die wohl bekannteste Alternative für Fleischeiweiß ist Tofu aus Sojabohnen. Die Herstellung hat eine jahrtausendealte Tradition: Eingeweichte Sojabohnen werden gemahlen, gefiltert und mit Hilfe von Ferment zum Gerinnen gebracht. Das ausgeflockte Sojaeiweiß wird in Blöcke gepresst und kommt pasteurisiert und vakuumverpackt in den Handel. Die Rohvariante ist relativ geschmacklos und hat keine fleischähnliche Konsistenz. Ganz anders ist das sogenannte texturierte Sojaprotein, das als Trockengranulat heute schon mit seiner faserigen Struktur eine beliebte fleischfreie Grundlage für Bolognese, Gulasch oder Burger in vegetarischen und veganen Kreisen ist.
Ein neuer Eiweißlieferant ist auch das Lupineneiweiß. Den entölten Lupinensamen werden zunächst über mehrere Stufen Kohlenhydrate und Fasern entzogen. Die so entstandene „Milch“ wird als Basis zu milchfreiem Speiseeis oder getrocknet zu Fleischersatzprodukten weiterverarbeitet. Glutenfreie Backmischungen, fettarme Wurst und „Eiweißbrote“ mit Lupinenprotein sind heute schon auf dem Markt.
Faserreich und daher oft als „Weizenfleisch“ bezeichnet hält auch das asiatische Seitan Einzug in europäische Küchen. Durch Wässern und Kneten wird die Stärke aus Weizenmehl ausgewaschen, so dass am Ende ein faseriger Proteinblock entsteht, der mit Gewürzen und Sojasoße mariniert und gekocht zu fleischfreiem Schnitzel oder Gyros weiterverarbeitet werden kann. Ähnlich wie bei den anderen neuen Proteinquellen ist der Produktionsaufwand sehr hoch. Nährstoffe wie Vitamine, Mineralstoffe oder sekundäre Pflanzenstoffe bleiben weitgehend auf der Strecke.
Viele der neuen Proteinquellen besitzen kaum Eigengeschmack und werden in Folge oft mit Marinaden, Gewürzmischungen, Hefen und Aromen gewürzt. Auf Soja und Lupinen sind manche Menschen allergisch, weshalb bei der Zutatendeklaration gezielt darauf hingewiesen werden muss.
Auch Insekten können zum menschlichen Verzehr genutzt werden. Diese spielen in der Europäischen Küche bisher keine Rolle und haben eher exotischen Event-Charakter in kleinem oder touristischem Maßstab.
Viele Insektenarten haben zwar hochwertige Proteine kombiniert mit anderen Nährstoffen. Dr. Andreas Daxenberger, Lebensmittelexperte von TÜV SÜD, verweist jedoch darauf, dass die Einordnung der Insekten als Lebensmittel in Europa noch gesetzliche Grauzone ist: „So ist unklar, ob Insekten als Ganzes Lebensmittel sind oder in der EU dem Zulassungsverfahren nach Novel Food-Verordnung unterliegen. Für zum Beispiel aus Tieren isolierte Lebensmittelzutaten, die nicht mit herkömmlichen Vermehrungs- oder Zuchtmethoden gewonnen wurden, ist dies heute schon geregelt.“ Zur gezielten Produktion von Insekten zum menschlichen Verzehr sind wichtige Gesundheits-, Rechts- und Qualitätssicherungsfragen ungeklärt. „Bei den Insekten oder Insektenmehl ist derzeit völlig offen, welche Formen der Tierhaltung, der Betriebshygiene, der Verarbeitung und Lagerung überhaupt geeignet sind, um die Gesundheit des Verbrauchers angemessen zu schützen.“ Auch müssen z. B. allergische Reaktionen auf Insekteneiweiß geprüft werden.
Neue Proteinquellen fassen derzeit zwar in Europa erstmals Fuß, sind aber ein Nischenangebot. Ein breites und gesichertes Anwendungsfeld für die Proteine dieser besonderen Art ist im europäischen Lebensmittelrecht nicht vorgesehen – ganz im Gegensatz zur Produktion von bewährten Proteinquellen aus der konventionellen oder auch ökologischen aus Fleischerzeugung bzw. pflanzlicher Produktion.
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