Perspektiven für die Fleischbranche

Tierschutz und ökonomische Nutztierhaltung dürfen nicht im Gegensatz zueinander stehen, wenn nachhaltige Verbesserungen erreicht werden sollen. Welche Herausforderungen hat die Fleischbranche künftig zu bewältigen? Das Fachzentrum Ernährungswirtschaft der DLG (Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft) beleuchtete jetzt auf dem Symposium „Fleischqualität der Zukunft“ in Erfurt verschiedene Perspektiven.

Soll das (Nutz-)Tier vor Handlungen des Menschen geschützt werden, die mehrheitlich als „schlecht und falsch“ gesehen werden oder der Mensch vor den unangenehmen Gefühlen, die sich einstellen, wenn er wahrnimmt, dass Tiere infolge menschlichen Verhaltens leiden? Welche Rolle soll künftig die Ethik bei der Klärung von Erwartungen an Lebensmittel spielen? Nach Auffassung von Prof. Dr. Jörg Luy, Privates Forschungs- und Beratungsinstitut für angewandte Ethik und Tierschutz INSTET GmbH (Berlin), muss die gesamte Wertschöpfungskette Fleisch einer ethischen Prüfung unterzogen werden. Nur so können praktische Lösungsvorschläge für das Fernziel entwickelt werden, vollständig auf ethisch unbedenkliche Formen der Nutztierhaltung umzustellen, die gesellschaftliche Akzeptanz finden. Die Tiertötung an sich stellt für den Fachtierarzt für Tierschutz und Philosophen kein unlösbares Problem dar.

Schonende Schlachtung

Tiere sollen vor und während der Schlachtung keinen Stress oder Schmerz empfinden. Dies fordert unter anderem die novellierte Tierschutz-Schlachtverordnung. Die Tierärztin Muriel Machtolf (MRI, Kulmbach) informierte in ihrem Vortrag u.a. über Versuchsreihen mit alternativen Gasen zur Betäubung von Schweinen. So zeige sich der Einsatz des Edelgases Helium in Untersuchungsreihen des MRI als praktikabel. Allerdings sei auch der wirtschaftliche Faktor ins Auge zu fassen. So stellen derzeit Preis und Verfügbarkeit von Helium die größten Hürden für die Alltagspraxis der Betäubung dar. Gasmischungen können nach Ansicht der Referentin zu Lösungen führen, Studien in dieser Richtung sind geplant.

Vermeidung von Blutpunkten im Fleisch

Durch Blutungen entstandene rote Punkte im Schweinefleisch sind ebenfalls ein Indiz für eine nicht optimal durchgeführte Schlachtung. „Früher waren diese oft auf zu hohen Blutdruck im Zuge einer Elektro-Betäubung zurückzuführen“, erläuterte Dr. Martin von Wenzlawowicz vom Beratungs- und Schulungsinstitut für Tierschutz bei Transport und Schlachtung in Schwarzenbek. Er ging diesem Phänomen nach und fand heraus, dass ganz besonders junge Schweine von diesem Effekt betroffen sind. Dies führt er auf die noch schwachen Blutgefäße dieser Tiere zurück und empfiehlt einen sorgfältigeren Umgang im Umfeld der Betäubung. Positive Effekte seien unter anderem zu erreichen, wenn die Eingänge zur Tötungsbucht gepolstert seien, Rücklaufsperren eingerichtet werden oder eine angepasste Fixierung verwendet wird. „Ruhige Tiere bringen für alle am Schlachtprozess Beteiligten die geringste Belastung und die besten Resultate bis hin zur Fleischqualität“, fasste er die Untersuchungen zusammen.

Hürden gegen Kontamination

Die mikrobielle Kontamination von Rindfleisch und deren Vermeidung standen im Mittelpunkt des Beitrages von Prof. Dr. Matthias Upmann, Fachtierarzt für Lebensmittel, Hochschule Ostwestfalen-Lippe, Lemgo. Aufgrund der seit Februar 2013 durch die EU-Verordnung 101/2013 genehmigten Dekontamination von Rinderschlachttierkörpern durch Milchsäure ergeben sich auch für in Deutschland geschlachtetes Rindfleisch neue Möglichkeiten der hygienischen Gewinnung. In diesem Zusammenhang stellte er die in den USA angewandte „Multiple Hurdle Technology“ vor, die bei genauer Betrachtung weit effektiver als das in der EU angewandte Verfahren erscheine. Als probate Strategie zur Reduzierung der Keimzahl nannte er das Waschen der Tierkörper vor dem Enthäuten, das rigorose Entfernen von Stellen im Fleisch, die nicht absolut perfekt erscheinen und den Einsatz von Post-Eviszerationsspray (org. Säure) vor dem Kühlen.

Sichere Probenentnahme

So vielfältig wie die Oberflächen in einem Schlacht- und Zerlegebetrieb sind auch die Methoden der geeigneten Probeentnahmen. Welche Produkte und Techniken dabei die am besten Geeigneten sind, erörterte Dipl.-Ing. Mathias Boldt. Als Manager für wissenschaftliches Marketing und technischen Service bei der Firma 3M Food Safety in Neuss gilt er als Spezialist für die Untersuchungsmedien und Hilfsmittel in der Hygiene- und Qualitätskontrolle. Im Rahmen seines Vortrags erläuterte Boldt das Vorgehen bei der Probeentnahme im Schlachtbereich mittels Tupferproben, Kontaktverfahren und durch den Einsatz von Schwämmen. Auch wird die Palette der Einsatzmöglichkeiten von Methoden für Schnelltests immer breiter. ATP-Tests und Proteintests können beispielsweise eingesetzt werden, um die Effektivität der Reinigung und Desinfektion von Geräten und Räumen in einer kurzen Zeitspanne nachzuvollziehen.

Rückverfolgbarkeit: „Woher? Wohin?“

Wenn es um die Produktsicherheit bei Fleisch und Wurst geht, gilt die Rückverfolgbarkeit kompletter Chargen bis hin zu einzelnen Produkteinheiten als ein wichtiger Maßstab für die Kontrolle. Den aktuellen Stand der Anforderungen aus Sicht der Gesetzgeber und Hersteller schilderte Rechtsanwältin Sonja Schulz von der Hamburger Kanzlei ZENK. „Wenn ein Lebensmittel nicht sicher ist, muss es zuverlässig aus dem Markt entfernt werden können“, stellte die Fachjuristin fest. Diese Forderung ziehe sich inzwischen durch alle Verarbeitungs- und Vertriebsstufen, fügte sie hinzu. Somit sei jeder Lebensmittelunternehmer von der entsprechenden Gesetzgebung betroffen und verpflichtet, jeweils mindestens eine Stufe in der Produktionskette zurückgehen zu können. Auch die Weitergabe ist zu dokumentieren, so dass auch die folgende Stufe nahtlos verfolgt werden kann. Die Frage laute nach der Herstellung demnach: „Wer ist mein Kunde und damit der nächste in der Kette?“ Was auf den ersten Blick sehr einfach klinge, stelle sich in der Praxis jedoch nicht immer so einfach dar. Der heutige Stand werde dadurch charakterisiert, dass die jederzeitige Identifizierbarkeit gewährleistet sein müsse. Wer auch intern die Warenströme verfolgen kann, stehe nur selten vor Problemen, selbst dann nicht, wenn einmal ein Rückruf notwendig wird.

Lästige Anforderung oder Verkaufsfaktor?

Die Forderung nach Rückverfolgbarkeit ist nach Ansicht Dr. Klemens van Betteray (CSB-System AG) nicht auf die leichte Schulter zu nehmen und mehr als eine lästige Pflicht. Vor allem, wenn man bedenke, dass eine Rückrufaktion schnell zu einem sechs- bis siebenstelligen Kostenfaktor für den betroffenen Hersteller werden könne. Er sieht in einem Rückverfolgbarkeitssystem einen großen Nutzen, wenn es eingesetzt werde als „Baukasten, der gleichzeitig den Blick auf betriebswirtschaftliche Zusammenhänge erlaubt“.

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