Unerlaubte aktive Substanzen in Tierprodukten stellen ein hohes Gesundheitsrisiko für den Menschen dar. Zumeist sind Medikamente oder Futtermittel dafür verantwortlich, dass unerwünschte Stoffe in den Körper der Tiere gelangen und somit sowohl deren Erzeugnisse als auch ihr Fleisch verunreinigen. Um gesundheitliche Risiken zu vermeiden, hat das Setzen von Schwellenwerten momentan auf EU-Ebene höchste Priorität. Auf der neunten Internationalen Fresenius-Konferenz “Contaminants and Residues in Food”, die am 7. und 8. April 2014 in Mainz stattfand, wurde der aktuelle Stand derDinge bezüglich dieser und anderer drängender Fragen der Lebensmittelsicherheit erörtert.
Die EU-Verordnung EG Nr. 470/2009 sieht bei unerlaubten Substanzen in Tierprodukten das Setzen eines Reference Point for Action (kurz: RPA) vor, anhand dessen entschieden werden kann, ob ein Produkt noch der Verordnung entspricht oder bereits ein inakzeptables Risiko darstellt. Das EFSA CONTAM Panel hat nun einen neuen Ansatz zur Etablierung dieser RPAs entwickelt, in dem sowohl analytische als auch toxikologische Gesichtspunkte Berücksichtigung finden. Peter Fürst (Chemisches und Veterinäruntersuchungsamt Münsterland-Emscher-Lippe, CVUA-MEL) stellte das Konzept in Mainz vor: Das Ziel des neuen Ansatzes sei es, eine bestimmte analytische Konzentration für eine unerlaubte Substanz definieren zu können, die von Kontrolllaboratorien nachweisbar und so niedrig sei, dass gesundheitliche Risiken für den Menschen beim Verzehr der Substanz ausgeschlossen seien, erklärte er. Die Festsetzung der betreffenden analytischen Konzentration basiere im neuen Konzept auf der angemessenerweise zu erreichenden niedrigsten Grenze der Quantifizierung (engl. Reasonably Achievable Lowest Limit of Quantification, RALLOQ). Anhand dieser werde die unerlaubte Substanz gemessen und mit validierten Methoden bestätigt, führte der Experte aus. Um herauszufinden, ob das RALLOQ der verfügbaren Methode niedrig genug sei, um Konsumenten wirksam zu schützen, sei es notwendig, das toxische Potenzial sowie die pharmakologische Aktivität der unerlaubten Substanz zu berücksichtigen. Besonderes Augenmerk müsse in diesem Zusammenhang auf genotoxischen Wirkungen liegen, da genotoxische Substanzen auch karzinogen sein oder Mutationen an den Keimzellen auslösen könnten. Für die Beurteilung dieser Substanzen werde der von der EFSA für genotoxische Substanzen gesetzte TTC (threshold of toxicological concern) als Schwellenwert genutzt, so Fürst. Der TTC müsse immer dann als “Toxicological Screening Value” (TSV) benutzt werden, wenn es direkte Anzeichen für Genotoxizität in unerlaubten Substanzen gäbe oder diese zumindest nicht vollkommen ausgeschlossen werden könnten, fuhr Fürst fort. Für nicht-genotoxische unerlaubte Substanzen würden als TSV dagegen hilfsweise akzeptable Tagesdosen (Acceptable Daily Intakes, ADIs) herangezogen, die von der European Medicines Agency (EMA) für zugelassene Substanzen mit ähnlicher pharmakologischer Wirkung ermittelt wurden.
TBLOQ = TSV : Verzehrmenge
Um herausfinden, welche Konzentration in Lebensmitteln aufgrund des toxikologischen Screenings ermittelt werden sollte – vom CONTAM Panel definiert als “Toxicologically Based Limit of Quantification” (TBLOQ) -, müsse der gewählte TSV immer durch die verzehrte Lebensmittelmenge geteilt werden, erläuterte Fürst. Generell sei allerdings davon auszugehen, dass die Exposition gegenüber Rückständen von unerlaubten aktiven Substanzen eher sporadisch ausfalle. Aus diesem Grund sei es unwahrscheinlich, dass an einem Tag mehrere Lebensmittel verzehrt würden, welche die gleiche Verunreinigung aufwiesen. Zur Ermittlung der TBLOQ hat das CONTAM Panel folgende Verzehrmengen festgesetzt: Bei Tierprodukten von milchproduzierenden Tieren, denen unerlaubte aktive Substanzen verabreicht wurden, ist bei Kleinkindern bis drei Jahre eine Verzehrmenge von 1,5, bei Erwachsenen von einer Menge von 2 Kilogramm auszugehen. Bei Substanzen, die nicht bei milchproduzierenden Tieren eingesetzt werden, empfiehlt das CONTAM Panel, sich an der Verzehrmenge von Fleisch zu orientieren, um das TBLOQ herzuleiten. Abgerundet ergeben sich hier Werte von 0,2 Kilogramm für Kleinkinder und 0,5 Kilogramm für Erwachsene. Fürst merkte an, dass zuweilen auch nicht-essbare Matrizen wie Urin oder Haare untersucht würden, um das Vorhandensein unerlaubter aktiver Substanzen nachweisen zu können. Für diese dürften die durch die neue Methodik ermittelten RPAs nicht benutzt werden, betonte der Experte, da diese nur für Lebensmittel angemessen seien, die für den menschlichen Verzehr bestimmt wurden. Für die Schwellenwert-Bestimmung bei anderen Matrizen könnten jedoch andere Tools wie z.B. MRPLs herangezogen werden.
Abschließend wies Fürst darauf hin, dass es verschiedene Fälle gibt, in denen eine verfeinerte Risikobewertung empfehlenswert ist. Dies sei z.B. dann der Fall, wenn es Anzeichen dafür gebe, dass der TSV von 0.0025 µg pro Kilogramm nicht zum Schutz der Gesundheit ausreiche. Darüber hinaus seien Substanzen, die (Blut-)Dyskrasien oder Allergien verursachten oder hochwirksame Karzinogene seien nicht über den neuen Leitfaden der EFSA erfasst. Fürst machte ebenfalls darauf aufmerksam, dass die Anwendung des Leitfadens die vollständige Risikobewertung nicht ersetze, sondern als Screeningmethode für eine schnelle Einschätzung der Anwendung von unerlaubten pharmakologisch wirksamen Substanzen bei Lebensmitteln liefernden Tieren anzusehen sei.
EU arbeitet an neuem Gesetzentwurf zu RPAs
In Ergänzung zu Peter Fürst berichtete Frank Swartenbroux als Vertreter der Europäischen Kommission, welche rechtlichen Schritte in Sachen RPAs für die Zukunft geplant sind. Der bereits bestehende Leitfaden der EFSA werde in einen neuen legislativen Akt “übersetzt”, der auch die bislang existierenden RPAs beinhalte, so Swartenbroux. Zu den weiteren Entwicklungen im Fachgebiet äußerte der Kommissionsvertreter, im Hinblick auf unerlaubte Substanzen und verbotene Verwendungszwecke herrsche nach wie vor eine “Null Toleranz-Politik”, welche sich auch künftig fortsetzen werde. Die RPA-Initiative sei Ausdruck dieser grundsätzlichen Entscheidung. Die Rückstandsüberwachung werde aus diesem Grund in der Zukunft risikobasierter als bislang ablaufen und sich ausschließlich auf veterinärmedizinische Produkte konzentrieren. Mit Veränderungen hinsichtlich bereits verbotener Verwendungen könne dagegen derzeit nicht gerechnet werden, verdeutlichte Swartenbroux.
Toxizität von (Schwer-) Metallen: Neben Krebs auch zahlreiche andere negative Auswirkungen möglich
Auch Metalle stellen gefährliche Lebensmittelkontaminanten dar. Ein Update zur Einschätzung ihrer Toxizität erhielten die Teilnehmer der Fachtagung von Andrea Hartwig vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Bekannt ist, dass Cadmium, Arsen und Blei bei Menschen Krebs hervorrufen können. Jedoch drohen darüber hinaus auch noch zahlreiche weitere Gefahren für die Gesundheit. Beispielsweise verursache Cadmium Schädigungen der Nieren, der Atemwege sowie der Knochen, zählte Hartwig auf. Man könne beobachten, dass toxische Metalle häufig schon bei niedrigen Expositionsraten negative Einflüsse auf die Gesundheit hätten. Beim Festsetzen von Schwellenwerten sollten aus diesem Grund nicht nur die karzinogenen sondern alle Effekte berücksichtigt werden, so das Fazit der Expertin. Ebenso müsse die Exposition bei jeder Gelegenheit minimiert werden, um das Risiko gesundheitlicher Auswirkungen so weit wie möglich zu reduzieren, schloss sie.
Die Tagungsunterlagen mit den Skripten aller Vorträge der Fresenius-Konferenz können zum Preis von 295,- EUR zzgl. MwSt. bei der Akademie Fresenius bezogen werden.
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