Kulmbacher Woche seit 40 Jahren im Aufwind

In seiner einleitenden Ansprache wies Staatssekretär Alexander Müller vom Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft noch einmal eindringlich auf die Bedeutung der Fleischforschung im Rahmen der deutschen Ernährungswissenschaften hin. Der Leiter der Bundesanstalt, Dir. und Prof. Dr. Karl-Otto Honikel, ergänzte: “Vierzig Jahre Erfolgsgeschichte unserer Jahrestagung stärken uns für die Herausforderungen der Zukunft.”

Ungarn fit für den Markt
Entsprechend war gleich der erste Vortrag optimistisch nach vorn gerichtet: Der Leiter des ungarischen Fleischforschungsinstitutes, Dr. Kalman Incze, berichtete als Gastredner aus dem Ausland über die Vorbereitungen der ungarischen Fleischwirtschaft auf den kommenden EU- Beitritt. Mit traditionellen Produkten im modernen Gewand ist Ungarn auf die Verbraucheransprüche des großen Marktes bestens vorbereitet. Namen wie Guylaer und Csabaer-Wurst wird sich der Parprikaliebhaber auch in Deutschland merken müssen. Neben dem typisch würzigen Geschmack dieser vielfältigen Salamiarten ist lange Lagerfähigkeit und damit Lebensmittelsicherheit eine Grundforderung.

Bioprodukte – Qualitätsaspekte
Die Berichte der BAFF über die eigene Arbeit gliederten sich in vier Abschnitte. Die Qualität von Bioprodukten war dabei das erste Kernthema mit einem besonderen und aktuellen Anspruch. Von den Fragen der Züchtung und Fütterung in der ökologischen Broilermast schwenkten die Themen vor allem auf die Qualitätssicherung von Öko-Fleisch. Gerade die mikrobiologische Qualität von Fleischerzeugnissen aus der Bio-Produktion zeigt fassbare Unterschiede zum konventionellen Produkt. “Durch unser Projekt”, so interpretierte Dir. u. Prof. Dr. Dr. Manfred Gareis, Leiter des Instituts für Mikrobiologie der BAFF, “machen wir Öko fit für den vergrößerten Markt.”
Ein noch nicht vollständig gelöstes Problem ökologischer Wurstwaren sind aber die Vorbehalte, die in diesem Segment gegen den Einsatz des Pökelns bestehen. Der hierbei notwendige Einsatz von Nitrit hat mit positiven Wirkungen auf die Stabilität und das Aroma der Produkte sicher mehr Vor- als Nachteile. Lediglich die Zubereitung gepökelter Ware unter sehr starker Hitze , wie Grillen und Braten, führt zu gewissen Problemen durch die Bildung der teilweise Krebs erzeugenden Nitrosamine. Aber auch dieses Risiko sollte nicht überschätzt werden, es lässt sich zudem durch Vit.-C-Zugaben mindern.

Nachweismethoden für mehr Sicherheit
Der zweite Vortragskomplex befasste sich mit Nachweismethoden, die im Dienste der Lebensmittelsicherheit eingesetzt werden. Die Schnelligkeit des Nachweises schädlicher Keime, die Erhöhung der Spezifität des Nachweises und darauf aufbauend die Ableitung von praxisnahen Methoden, mit denen die Vermehrung etwa von Salmonellen im Produktionsprozess “sichtbar” gemacht werden kann, sind die Zielrichtungen. Aber nicht nur Keimwachstum stand auf dem Programm, sondern auch der Nachweis des erst in allerjüngster Zeit bekannt gewordenen Acrylamids: Vor allem kohlenhydratreiche, trocken erhitzte Getreideprodukte sind von diesem Rückstand betroffen. “Fleisch ist offensichtlich durch seinen hohen Protein- und Wassergehalt vor der Bildung von Acrylamid geschützt”, fasste Dr. Hubertus Wagner zusammen.

Qualität beurteilen
Der Qualität von Fleischwaren war das dritte Themenbündel gewidmet. Für uns als Verbraucher ist selbstverständlich, dass die Wurst Fleisch enthält. Im Rahmen der neuen Möglichkeiten, die das EU-Recht gibt, steht aber der tatsächliche Anteil von Fleisch immer mehr in Frage, zugesetztes Fremdeiweiß, etwa aus Hülsenfrüchten, kann in der Analyse leicht mit Fleischeiweiß verwechselt werden. Sicherheit gibt da der Nachweis der seltenen, nur im Muskel vorkommenden Aminosäure Methylhistidin – damit Wurst wie bisher Wurst bleibt. Ergänzend dazu ist auch beruhigend, dass eine Langzeitbeobachtung der Fleischwaren in Deutschland belegt: Die Risikopunkte, wie die Umweltkontaminanten Blei, Cadmium und die polychlorierten Kohlenwasserstoffe oder überhöhte Nitritgehalte, treten immer seltener auf. Aber Überwachung tut trotzdem Not, überhöhte Kochsalz- und Fremdwasserkonzentrationen wie auch übermäßiger Phosphateinsatz kommen vor. “Gesundheitlich ist das kein Problem, aber solche Fehlprodukte übervorteilen den Verbraucher”, mahnte Lebensmitteltechnologin Irina Dederer.

Schlachttierkörper bewerten
Die letzten Themen führten weit in die Welt der Ökonomie. Die Bewertung von Zuchttieren und Schlachtkörpern, Ausbeutesätze und Verringerung des Fettgehaltes bestimmten hier den Blickwinkel. “Wir stehen nun auch im Bereich der Tierzucht vor einer elektronischen, einer digitalen Revolution”, beschrieb Dr. Ernst Tholen als Gastredner von der Universität Bonn seine Vision. Eben noch ausschließlich großen Kliniken vorbehalten, dringen jetzt Computer-Tomographen und Bild gebende Ultraschall- Messtechniken in die Agrarwissenschaft vor. Dies ist Hochtechnologie im guten Sinne. Sie wird, so lässt sich schlussfolgern, der Gentechnologie in der Haustierzucht noch lange eine Nasenlänge voraus sein.
Die 38. Kulmbacher Woche war die letzte, die die BAFF als selbständige Bundesanstalt durchgeführt hat. Die Neuauflage im nächsten Jahr wird zwar weiter in Kulmbach, aber schon unter dem Dach der neu gegründeten Bundesforschungsanstalt für Ernährung undLebensmittel stattfinden. “Sie werden uns auch dann noch wieder erkennen”, gab sich der Leiter der BAFF, Dir. u. Prof. Dr. Karl-Otto Honikel zuversichtlich, “Fleischforschung in Kulmbach wird bleiben”.

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