Qualität und Hygiene sind oberste Gebote in der Fleisch verarbeitenden Industrie. Denn die Verbraucher erwarten hochwertige und sichere Produkte. Wie groß der Anteil der Automatisierung und Messtechnik an diesem wichtigen Sektor ist, stellte die “Anuga FoodTec” vom 24. bis 27. März 2015 in Köln eindrucksvoll unter Beweis. Die Aussteller der Internationalen Zuliefermesse für die Lebensmittel- und Getränkeindustrie gaben Einblicke in die moderne Fleischproduktion. Zu sehen waren hochmoderne Sensoren, die nicht nur die Produktion steuern, sondern auch die Qualität der Rohwaren und Erzeugnisse inline erfassen.
Im schleswig-holsteinischen Böklund weiß man, worauf es ankommt, wenn es um die Wurst geht. Bereits Ende der 1930er Jahre führte Böklunder als erstes Unternehmen in Deutschland die automatisierte Fertigung ein. Seither gilt das Unternehmen nicht nur als Erfinder des Würstchens im Glas, sondern zählt zu den Pionieren einer Branche, in der sich die Automatisierung vergleichsweise spät durchsetzte: der fleischverarbeitenden Industrie.
Fleisch ist nicht nur ein hygienisch sensibles Produkt. Es ist vor allem ein Produkt, dessen anatomische Merkmale einer weitreichenden Automatisierung Grenzen setzt. Gefragt sind individuelle Lösungen, die von Standards anderer Branchen abweichen und den verarbeitenden Betrieben wirtschaftliche Perspektiven eröffnen. Bestes Beispiel dafür ist das Werk von EDEKA Südwest Fleisch in Rheinstetten, einem der modernsten Fleischbetriebe Europas. 20 Produktionslinien sorgen täglich rund um die Uhr für die reibungslose Verarbeitung von 4.000 Schweinehälften und 1.000 Rindervierteln. Damit ein Werk dieser Größenordnung überhaupt effizient arbeiten kann, müssen alle Prozesse IT-gestützt ablaufen – vom Wareneingang über die Zerlegung und Produktion bis hin zu Verpackung und Versand.
Exakte Bilder für die Zerlegung
Die frühzeitige Bestimmung der Fleischqualität ist für den automatisierten Zerlegeprozess in Rheinstetten von zentraler Bedeutung. Eine spezielle Hard- und Softwarelösung, der ‘Image-Meater’ von CSB, klassifiziert die Schweinehälften vollautomatisch. Kameras erfassen die Schlachtkörper und teilen sie anhand der Messergebnisse in verschiedene Qualitätsstufen ein. Auf diese Weise bestimmt die Software den exakten Handelswert über alle maßgeblichen Teilstücke wie Schinken, Schulter, Bauch und Kotelett – berührungslos und hygienisch einwandfrei.
Drahtlose Daten für mehr Hygiene
Dass Messaufnehmer und Messverstärker hohen Ansprüchen genügen müssen, ist selbstverständlich. Doch auch an die Messkabel werden hohe Anforderungen gestellt. Ein Verzicht hat da durchaus seinen Reiz – gerade im hygienisch sensiblen Bereich, wo eine Kabelverlegung aufwendig ist. Inzwischen zeichnen sich eine Reihe von Lösungen ab, die den Einsatz der Wireless-Technologien in der Fleischereiindustrie attraktiv machen. So kommen heute bei der Temperaturerfassung neben den bewährten kabelgebundenen auch kabellose Geräte zum Einsatz. Wie das Wtrans-T-Widerstandsthermometer mit Funk-Messwertübertragung von Jumo. Mit dem Wtrans-System lassen sich kontinuierlich die Temperaturen der Koch- und Räucherkammer, aber auch die Kerntemperatur des Produktes erfassen.
Indirekte Einblicke in die Produktion
Nicht nur Temperatur und Druck sind heute inline messbar, sondern vieles, was früher auch eine chemische Analyse verlangte. Die Parameter werden dabei nicht direkt gemessen, sondern indirekt – über eine physikalische Größe, die mit dem gesuchten Wert korreliert. Die Inline-Messung des Fettgehalts ist solch eine Ausbaustufe der Automatisierung. Sie spielt bei der Standardisierung des Fettgehalts im Endprodukt eine wichtige Rolle. Seydelmann vermittelt in seinen Anlagen diesen “indirekten Einblick” in die Produktion mit hochauflösender Nahinfrarot-Spektroskopie (NIR) und Röntgentechnologie. Die Echtzeitergebnisse der NIR-Methode erreichen eine Präzision, die Laboranalysen in nichts nachsteht. Dabei wird die Oberfläche des gewolften Fleischs beim Transport gescannt. Dank der kontinuierlich angezeigten Fettgehalte auf dem Bedienterminal lassen sich während der laufenden Produktion unverzüglich Änderungen an der Rezeptur vornehmen. Eine noch genauere Analyse ermöglicht die Röntgentechnologie. Der Fettgehalt kann bis auf unter einem Prozent Abweichung geprüft und dem Gewicht zugeordnet werden. Gleichzeitig steigt die Produktsicherheit, weil sich Fremdkörper wie Knochen, Glas und Metall zuverlässig identifizieren und ausschleusen lassen.
Trend zu Automatisierung hält an
Noch kommen kontinuierliche Linien in der Fleischindustrie seltener zum Einsatz, als in anderen Branchen. Doch der Trend zur Automatisierung hält an, am stärksten bei produktnahen Prozessen wie dem Verpacken. Die Anuga FoodTec zeigte, wie weit die Automatisierung in der Fleisch- und Wurstwarenproduktion vorangeschritten ist. Neben einzelnen Maschinen präsentierten die Aussteller vollautomatisierte Linien für das Verarbeiten von Fleisch, Schinken und Wurst, die eine Vielzahl leistungsfähiger Module aufweisen. Sie maximieren nicht nur die Wirtschaftlichkeit der Produzenten – sie sind auch der Garant für hochwertige und sichere Lebensmittel. www.anugafoodtec.de