Noch können bakterielle Infektionen bei Nutztieren wirksam mit Antibiotika bekämpft werden. Doch die Behandlungen werden auch hier durch resistente Keime immer schwieriger. Die Liste der Herausforderungen zur Reduktion von Antibiotika-Resistenzen wächst. Gleichermaßen steigt aber auch die Bereitschaft, gemeinsam für den Erhalt der Wirksamkeit von Antibiotika einzutreten. Das wurde auf dem Lebensmitteltag der DLG (Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft) in Frankfurt/Main deutlich. Vertreter aus der gesamten Prozesskette nutzten die Gelegenheit, sich über „Antibiotika-Resistenzen in der Lebensmittelkette“ zu informieren und sektorübergreifende Maßnahmen zu diskutieren.
ESBL/AmpC
Nicht alle Bakterien sind gleichermaßen fähig, Abwehrmechanismen gegen Antibiotika zu entwickeln. Im Fokus der aktuellen Resistenzdebatte stehen ESBL- und AmpC-bildende Darmbakterien, die mithilfe dieser beiden Enzyme ein breites Spektrum von Antibiotika unwirksam machen können. Dazu zählen auch die in der Humanmedizin therapeutisch wichtigen Cephalosporine der dritten und vierten Generation. Die Gene für diese Enzyme sitzen bei den Bakterien auf mobilen Elementen (Plasmiden) und können sehr leicht unter den Bakterien ausgetauscht und weitergegeben werden. ESBL-/AmpC-bildende Keime sind bei Lebensmittel liefernden Tieren und tierischen Lebensmitteln weit verbreitet, am häufigsten treten sie beim Geflügel und in Geflügelfleisch auf. Die Resistenz ist aber auch in der Umwelt weit verbreitet, so dass eine Fokussierung der Problematik auf lebensmittelproduzierende Nutztiere als alleinige Ursache der Verbreitung zu kurz greift, betonte Dr. Annemarie Käsbohrer, die am BfR die Fachgruppe des Nationalen Referenzlabors für Antibiotikaresistenz leitet. Damit werde nur ein Teilaspekt der Gesamtsituation erfasst. Ihren Aussagen zufolge ist davon auszugehen, dass ein Gesundheitsrisiko für den Menschen von ESBL-tragenden Bakterien aus der Tierhaltung ausgeht. Diesem Risiko sind in erster Linie Menschen mit häufigem Tierkontakt ausgesetzt, z. B. Landwirte und Veterinäre. Die Wahrscheinlichkeit einer Exposition des Verbrauchers über Lebensmittel kann noch nicht quantifiziert werden.
Masthähnchen
Ergebnisse des Resistenz-Monitorings und des Forschungsverbundes RESET (Resistenzen bei Tier und Mensch) deuten für die Masthähnchenhaltung darauf hin, dass die Weitergabe der Keime über die Elterntiere eine wichtige Quelle für den Eintrag von ESBL/AmpC-bildenden Keimen in die Mastbestände darstellt. Nach Aussage des Geschäftsführenden Direktors des Instituts für Tier- und Umwelthygiene an der FU Berlin, Prof. Dr. Uwe Rösler, werden aber vermehrt ESBL-/AmpC-negative Eintagsküken eingestallt, so dass dieser Eintrag an Bedeutung verliert. Wenn aber bei einigen Herden kurz darauf Keime feststellbar sind, müssen diese verstärkt aus der Umwelt bzw. Stallluft eingeschleppt worden sein. Auch entlang der Lebensmittelkette, vor allem bei der Schlachtung, erfolgt eine Verbreitung. Der Eintrag resistenter Keime über rohes Fleisch in Privathaushalte kann bei mangelnder Küchenhygiene laut Prof. Rösler dazu führen, dass Verbraucher resistente Bakterien aufnehmen. Er empfiehlt deshalb etwa eine ausreichende Erhitzung vor dem Verzehr (mind. 2 Min./70 °Grad), wodurch Bakterien abgetötet werden.
Antibiotika-Forschung
Die Resistenzbildung wird weiter zunehmen, auch weil es immer schwieriger wird, neue Angriffspunkte für Antibiotika bei Bakterien zu finden, erläuterte Dr. Peter Schmid, BfT. Die Forschung für neue Antibiotika in der Tiermedizin ist rückläufig wegen umfangreicher Anforderungen, dem hohem Risiko einer nicht-erfolgreichen Zulassung, nachfolgenden Anwendungsbeschränkungen und hohen Kosten von bis zu 150 Mio. Euro. Mit neuen Antibiotika in der Humanmedizin ist in rund fünf Jahren zu rechnen. Das wird den aktuellen Druck auf bestehende Wirkstoffklassen deutlich mindern. Sie geben aber nur mittelfristig einen Vorsprung im Kampf gegen Resistenzen.
Fazit
Generell ist die Senkung des Verbrauches von Antibiotika die wirkungsvollste Maßnahme zur Reduktion von Antibiotika-Resistenzen – in der Human- und Veterinärmedizin. Erfreulich ist, dass resistente Keime in der Lebensmittelkette nicht weiter zunehmen und dass für das Thema in der breiten Öffentlichkeit eine Sensibilität besteht. Gemeinsame Fort- und Weiterbildungen müssen jetzt innerhalb der Lebensmittelkette forciert werden. Denn nur so kann eine sachorientierte interdisziplinäre Auseinandersetzung mit der großen Herausforderung (multi)resistenter Infektionserreger gelingen. Ohne gegenseitiges fachliches Verständnis können zielführende Lösungen nicht erarbeitet werden. www.dlg.org
Foto: DLG e.V.