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Ethischer Fleischkonsum – Teil 2

Matthias Minister von Fairfleisch im Interview: Ganztierverwertung, Insekten, 3D-gedrucktes Fleisch, Tierwohllabel – wie sieht der Weg zu nachhaltigem, ethischem Fleischkonsum aus?

Matthias Minister von Fairfleisch im Interview der Reihe “Nachhaltiger, ethischer Fleischkonsum: Ist kein Fleisch auch (k)eine Lösung?“: Ganztierverwertung, Insekten, 3D-gedrucktes Fleisch, Tierwohllabel – wie sieht der Weg hin zu einem nachhaltigen, ethischen Fleischkonsum aus? Experten der Branche – vom kochenden Ganztierverwerter über den veganen Koch bis hin zum Unternehmer für Fleischalternativen – geben einen Einblick. Der Fairfleisch-Gründer spricht sich dabei gegen das Kuh-Mobbing aus: „Die Kuh wird ungerechtfertigt als Klimakiller gemobbt! In der Klimadebatte müsste man auch über Milchprodukte reden und natürlich über Schweine- und Geflügelfleisch.“

Zur Person: Matthias Minister

Der Gründer und Geschäftsführer von Fairfleisch setzt sich seit Jahren für eine artgerechte, regionale Tierhaltung ein – ökologisch nachhaltig und aus bäuerlicher statt industrieller Landwirtschaft. Trotzdem müsse weniger Fleisch konsumiert werden – sonst geht uns bald nicht nur das Getreide, sondern auch die landwirtschaftliche Fläche aus.

Herr Minister, Sie sagen die Kuh wird ungerechtfertigt als Klimakiller gemobbt. Welche Argumente halten Sie dagegen?

Mir wird das Ganze zu sehr pauschalisiert. Man sollte sich dazu mal folgende Zahlen vor Augen halten: Der Fußabdruck von 1 kg Rindfleisch beträgt ca. 15 kg CO2. Der größte Anteil, ca. 6 kg umgerechnet in CO2, wird durch die Methan-Rülpser der Wiederkäuer verursacht. Weitere 4 kg CO2 von den 15 kg macht das Sojafutter aus Übersee aus, das in der fairen Tierzucht oft gar nicht zum Einsatz kommt. Der Rest verteilt sich auf Düngereinsatz, Maschinen und Futtergewinnung.

Ist die Ökobilanz von Rindfleisch also falsch?

Ich kritisiere, dass keine ganzheitliche Ökobilanz von Rindfleisch gemacht wird, sondern ausschließlich die Effekte auf das Klima diskutiert werden. Wenn die Rinder mit Gras und Heu gefüttert werden, statt wie heute üblich mit Mais, Getreide und Soja, wenn der Beitrag der Rinder zur Artenvielfalt, Welternährung, Humusaufbau und Kreislaufwirtschaft berücksichtigt wird, dann sieht die Ökobilanz der Rinder völlig anders aus.

Vertreter konventioneller Landwirtschaft halten dagegen, dass mit regenerativen Methoden keine Ernährungssicherung möglich sei. Was sagen Sie dazu?
Das ist eine ziemlich ideologische Debatte, die zu keiner nutzbaren Erkenntnis führt. Häufig wollen die Vertreter der konventionellen Landwirtschaft mit dieser Argumentation ihr BAU-Konzept rechtfertigen: „Business as usal“ – sie möchten weder die Landwirtschaft noch das Ernährungsverhalten verändern.

Der begrenzende Faktor ist die landwirtschaftlich nutzbare Fläche – das ist inzwischen unstrittig. Fakt ist, dass in 30 Jahren ca. 9 Mrd. Menschen auf der Erde leben werden; alle brauchen Lebensraum und Nahrung. Und Fakt ist auch, dass durch den rapiden Verlust an Artenvielfalt, verursacht durch die Intensivlandwirtschaft, unser Überleben auf diesem Planeten in Frage steht – eine Ökologisierung der Landwirtschaft ist also unumgänglich und führt zwangsläufig zu geringeren Erträgen. In diesem Spannungsverhältnis gilt es, Lösungen zu finden. Die gibt es auch.

Beispiel: Etwa 20 bis 25 % aller weltweit erzeugten Lebensmittel kommen gar nicht auf die Teller, weil sie vergammeln oder im Müll landen – können wir diese Verluste reduzieren? Oder verzichten wir auf Energie vom Acker, in Form von Biogas oder Ethanol? Auch dafür werden rund 10 % der weltweiten Ackerflächen benutzt.

Was läuft politisch bereits gut und wo sehen Sie diese mehr in der Pflicht zur Sicherung einer nachhaltigen Ernährung?

Im Ansatz hat die Politik den Ernst der Lage erkannt, aber es gibt zu viele Bremser und Lobbyisten, die eine Agrarwende blockieren. Wir sollten uns nicht auf die Politik verlassen, sonst geht es uns demnächst ähnlich, wie derzeit mit der Energieversorgung. Jeder Koch oder Einkäufer einer Küche kann Fleisch aus regionaler, nachhaltiger und artgerechter Tierhaltung beziehen und damit einen ganz persönlichen Beitrag zur Agrarwende leisten. Ja, es kostet mehr. Der Preisaufschlag, z. B. bei unserem Fleisch liegt bei 20 bis 30 ct/100 g – für viele war das bisher „nicht darstellbar“. Und jetzt, durch die Engpässe der vergangenen Wochen liegt der Preisaufschlag noch viel höher.

Wie oft essen Sie selbst Fleisch und welches Gericht möchten Sie keinesfalls missen?

Fleisch in Form von einem Steak, Burger oder Braten esse ich ca. einmal pro Woche. Ganz oben auf der Genussliste steht das Bürgermeisterstück mit Meerrettichsauce und selbst gemachtem Kartoffelstampf.

Danke für das Gespräch!

Das Interview führte Claudia Kirchner, Chefredakteurin GVmanager

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